Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
wird, das Paris der Finanzen und des Handels. Hier befindet sich das Geschäftsviertel Les Halles, die glamouröse EinkaufsstraßeChamps-Élysées, hier haben die großen Kaufhäuser Galerie Lafayette und Le Printemps ihren Platz sowie die teuren Designer-Boutiquen der Rue du Faubourg Saint Honoré.
Die andere Seite, die Rive gauche (linkes Ufer), südlich der Seine gelegen, wird als Intellektuellenviertel bezeichnet. Sie verläuft vom Quartier Latin über St. Germain-des-Prés bis hin zum Montparnasse-Viertel. Hier haben sich Wissenschaft und Kunst niedergelassen, hier sitzt die berühmte Universität Sorbonne, hier haben sich fast alle bedeutenden Verlage, die meisten Buchhandlungen und Galerien angesiedelt. Wer die Rive gauche liebt, verachtet die Rive droite und umgekehrt. Ein altes Spiel, das nur zu gern kultiviert wird, und doch ist längst unumstritten: Nur zusammen ergeben sie das Paris der Gegensätze, das wir alle so lieben.
Paula kam etwas verspätet in das ehrwürdige Les deux magots , wo Katja sie mit einem strahlenden Lächeln erwartete. »Ich dachte, das musst du mal sehen«, begann sie gleich. »Dieses Café gehört einfach zu Paris. Es war ab 1885 und vor allem in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts Treffpunkt für Künstler, Literaten und Intellektuelle.« Paula schaute sich neugierig um. Lebensgroße, aufwendig geschnitzte und bemalte Holzfiguren schauten auf die Gäste herab. Diese und auch der Rest der Einrichtung wirkten fast etwas asiatisch. Komisch. »André Gide, Simone de Beauvoir, André Bréton, Sartre, Truffaut ... alle waren hier. Heutzutage wird hier sogar ein eigener Literaturpreis vergeben!« Paulas Augen strahlten. Katja bestellte zwei tartes aux cerises (Kirschkuchen) und café au lait dazu.
»Was machst du an Weihnachten?«, fragte Paula, während sie genüsslich an ihrem Milchkaffee nippte. »Wir bleiben diesmal hier und die Verwandten kommen zu uns.« Paula war beeindruckt »Toll, das stelle ich mir wirklich schön vor, Weihnachten in Paris.« »Nein, eigentlich ist Weihnachten in Deutschland viel schöner«, entgegnete Katja. »Viele Traditionen sind in Frankreich nicht so erhalten geblieben und werden jetzt sogar aus Deutschland übernommen. Wie zum Beispiel die Weihnachtsgans. An Weihnachten hat man in Frankreich immer das Beste und Teuerste gegessen, also Austern, foie gras , Räucherlachs. Dazu natürlich Champagner. Manche essen auch Schnecken und Froschschenkel an Weihnachten. Hauptsache, es ist etwas Besonderes. Aber mittlerweile gibt es Austern das ganze Jahr über und Räucherlachs ist wirklich nichts Besonderes mehr.« »Stimmt«, sagte Paula, »und irgendwie freue ich mich schon auf Deutschland, auf den Schnee, das Plätzchenbacken, auf die Weihnachtsgans und die Kerzen am Baum.« Ihr wurde ganz warm ums Herz bei dem Gedanken an Weihnachten daheim, fast so, als sei sie eine Soldatin und sehne den Fronturlaub herbei. »Ja, echte Kerzen am Tannenbaum gibt es hier nicht«, schmunzelte Katja. »Wollen wir noch ein bisschen shoppen gehen?«, fragte Paula. »Ich brauche noch ein paar Geschenke«. »Sehr gerne, wenn es nicht gerade hier in der teuren Gegend ist«, zwinkerte Katja zurück. »Ich lade dich ein«, sagte Paula und gab dem Kellner ein Zeichen. Doch bei einem Blick in den Geldbeutel stellte sie fest, dass sie erst noch zum Geldautomaten musste. Wie ärgerlich. »Tut mir leid, ich muss erst Geld abheben«, sagte sie zu Katja, und zum Keller gewandt: » Je paie un café et une tarte aux cerises. « (Ich zahle einen Kaffee und einen Kirschkuchen) »Lass doch«, sagte Katja, doch Paula winkte ab. »Du hast schon die letzten Male bezahlt. Und dafür reicht mein Geld noch.« Der Kellner brauchte einen Moment, bis er die Summen auseinandergerechnet hatte. » Çe n’est pas façile « (Das ist nicht leicht), sagte er leicht genervt. Also, der stellte sich an, dachte Paula. » Vous êtes Allemandes? « (Sind Sie Deutsche?) Paula nickte. Woran hatte er das jetzt gemerkt? Und unfreundlich war er plötzlich auch noch, da ließ sie es lieber mit dem Trinkgeld bleiben. Paula und Katja zahlten getrennt und verließen voller Shoppinglaune das Deux Magots .
Was ist diesmal schiefgelaufen?
In Frankreich zahlt man niemals getrennt. Man wird Sie also nie fragen »zusammen oder getrennt«, sondern immer eine Gesamtrechnung bringen. Sagen Sie also nicht séparément (getrennt), wenn Sie zahlen möchten, wenn Sie nicht als unhöflicher Geizkragen
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