Fettnaepfchenfuehrer Italien
Brille nichts, die Franziska als Störkörper wahrnahm. Andererseits waren derlei Brillen gerade modern, und im Übrigen ist es ja jedem überlassen, wie er sich schmücken mag. Catarina hatte das kleinste Zimmer der Wohnung, das aber immerhin ein schön großes Fenster hatte und einen Ausblick auf die Basilika von San Giovanni bot, obgleich auch in weiter Ferne (und es war auch nur der oberste Teil der Frontfassade zu sehen). Aber immerhin.
»Wie geht’s?« fragte Catarina. Franziska war zuvor schon aufgefallen, dass Catarina nicht so viel über ihr Privatleben redete.
»Gut, danke. Ich werde mir heute Mittag die Appia Antica anschauen.«
»Das ist superentspannt dort«, sagte Catarina, «die Luft ist gut, man hört Vögel und kann lange spazieren.«
Franziskas Handy klingelte. Catarina hörte interessiert der fremden Sprache zu, verstand aber nichts. Sie faszinierte der Klang.
»Was, echt?« sagte Franziska. »Nee!« Catarina wusste Franziskas Gesichtsausdruck nicht recht zu deuten. »Und wie lange?«
»Mein Vater kommt nach Rom«, sagte Franziska zu Catarina, nachdem sie das Telefongespräch beendet hatte. »Für zwei Monate. Wünscht man sich so einen Erasmusaufenthalt?«
Catarina sah ratlos drein. »Ich mag meinen Papa«, sagte sie.
»Ich ja auch. Aber trotzdem...«
Franziska nahm einen Teller aus dem Spülbecken, das sie mit einem Stöpsel verschlossen hatte und das von einem Schaumberg gekrönt wurde. Sie stellte ihn in das Abtropfgitter.
»Franziska, auch wenn Dich gerade Anderes beschäftigt, ich mag das so nicht«, sagte Catarina.
Was ist diesmal schief gelaufen?
»Sciacquare« ist ein wichtiger Vorgang in Italien: Das Abspülen des gespülten Geschirrs, und dazu gehört unbedingt, den Schaum wegzuwaschen, bevor man das Geschirr zum Abtrocknen stellt. Italiener haben ein eigenartiges Verhältnis zur Chemie: Einerseits kann keine Torte zu quietsch-bunt sein, andererseits haben Ergänzungsstoffe zur Ernährung wie Vitaminpillen etc. wenig Anhänger. Einerseits bilden sich die Italiener viel auf die Kontrollen ihrer Nahrungsmittel ein, andererseits fristen Öko-Produkte weitgehend ein Nischendasein. Duftzerstäuber werden häufig eingesetzt, der Wunderbaum, der am Autospiegel baumelt, sorgt im Wagen für chemische Beduftung, Waschmittel sind stark parfümiert und es gibt Putzmittel, die man ohne Handschuhe nicht einsetzen sollte. Aber Spülmittelschaum muss abgewaschen werden.
Was können Sie besser machen?
Dass Franziska im Becken spült, ist ihr hoch anzurechnen, spart dies doch eindeutig Wasser. Italiener sehen es mit dem Wassersparen nicht so eng und spülen meist unter fließendem Wasser, so fällt auch das Abspülen des Schaums leichter. In jedem Fall sollte sie aber ihr Geschirr kurz mit klarem Wasser abspülen. Hoffentlich hat sie also zwei Spülbecken zur Verfügung!
Wie Franziska lernt, was Italiener unter Mülltrennung verstehen
Wenn das Volk der Politik voraus ist
»Ach, komm, setz Dich mal her, lass uns ein Glas Wein zusammen trinken«, sagte Catarina. »Das wird schon recht werden mit Deinem Vater, er muss ja nicht gleich hier einziehen.«
»Weißt Du, ich habe zu meinem Vater ein etwas komisches Verhältnis, aber ich mag meine Eltern natürlich auch, das ist gar nicht das Problem. Ich hätte nur die Erasmuszeit gerne für mich, ich weiß nicht, ob Du das verstehen kannst.«
Catarina rang mit sich, zu erkennen war das an den Händen, die sie zusammenpresste und vor der Brust auf und ab schüttelte. »Kann ich ehrlich gesagt nicht«, antwortete sie schließlich. »Bei uns empfindet man die Familie nicht als Ballast.«
»Bei uns ja auch nicht, nein, so ist das nicht.«
»Naja, irgendwie ja schon.«
»Ich mag einfach die Distanz«, sagte Franziska.
»Deswegen habt ihr auch keine Doppelzimmer, wenn ihr studiert, oder?«
»In Tübingen habe ich einmal in einem Wohnheim gewohnt, da gab es anfangs noch Doppelzimmer. Aber die Mieten sind nicht so hoch bei uns, und die meisten wollen ihren eigenen Raum haben.«
»Ihr seid schon eigenartig, ihr Deutschen.«
»Ihr Italiener auch«, sagte Franziska und musste lachen, als Catarina eine verneinende Geste machte. »Los, lass uns die Flasche Wein aufmachen.«
»Ach, eigentlich hätte ich eher Lust auf ein Bier«, sagte Catarina.
»Hauptsache Alkohol!« antwortete Franziska, »los geht’s!«
Catarina zündete die Kerze an, die auf dem Küchentisch stand, und öffnete zwei Flaschen Bier. Draußen war es noch hell, die Sonne hatte
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