Fettnaepfchenfuehrer Italien
deutschen Datenbanken synchronisiert ist. So haben Sie Zugriff auf unsere Bestandsdaten und wir auf Ihre. Das eröffnet auch neue Einkaufsmöglichkeiten und Einsparungen. Diese Minderausgaben kommen letztlich auch Ihnen zugute.« Lo Mele machte Paul Weiss ein Zeichen einzuhalten, damit er übersetzen könne. »Scusa« , entschuldigte sich Weiss.
Dann begann er systematisch alle möglichen Fehlerquellen aufzuzählen, die er ausgemacht hatte. Er sprach von Bestellungen, die zu lange liegen geblieben waren, von nicht vollständig ausgefüllten Dokumenten, nicht dokumentierten Artikeleingängen, solche Sachen eben. Er sparte dabei auch Trombetta nicht aus, der beispielsweise zum Teil ungenaue Vorgaben gemacht hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis Weiss mit seinem Programm durch war. Stefano Lo Mele hatte zwischendurch einen trockenen Mund bekommen und um ein Glas Wasser gebeten, Biagio Greco hatte es ihm gebracht.
»Jetzt möchte ich gerne mit Ihnen über die von mir aufgezeigten Probleme sprechen«, sagte Paul Weiss und schaute erwartungsvoll in die Runde. »Ich finde, wir sollten darüber gemeinsam diskutieren.« Nichts regte sich, niemand schien auch nur Anstalten zu machen, sich äußern zu wollen.
»Hoffentlich habe ich sie nicht totgeredet«, sagte Weiss in die Runde und versuchte mit einem Scherz die Atmosphäre aufzulockern. Doch alles, was er damit erreichte, war Stefano Lo Mele in Verlegenheit zu bringen: Wie übersetzt man nur ›totgeredet‹ richtig?
Dann fiel Paul Weiss‘ Blick auf Jacopo Trombetta. Eines war überdeutlich: Trombetta würde ihm im Moment am liebsten an die Gurgel springen. Nur mühsam konnte er sich offenbar beherrschen, seine Halsadern waren deutlich nach außen getreten, sein Blick fixierte Weiss und durchbohrte sein Herz.
»Nun, hat jemand einen Vorschlag?« Paul Weiss musste weitermachen mit der Besprechung, er durfte sich nicht von Trombetta stören lassen, dem irgendetwas nicht passte. Weiss schaute nach wie vor in eine stille Runde.
Schließlich meldete sich ein junger Mitarbeiter aus der Verpackungsabteilung. Sein Vorschlag passe nicht ganz zum Thema, sagte er, und hatte damit recht, aber wenn man einen Getränkeautomaten oder auch nur einen Kühlschrank in seiner Abteilung aufstellen würde, könnten er und seine Kollegen etwas Zeit sparen, denn bis zum Essensraum oder auch zur Bar sei es ein weiter Weg.
Stefano Lo Mele übersetzte, als ob er nie etwas anderes in seinem Leben getan hätte.
»Keine schlechte Idee«, sagte Paul Weiss, er konnte in dieser Situation auch kaum etwas anderes sagen, schließlich wollte er andere ermutigen, auch etwas zu sagen.
»Bei uns auf der Toilette kommt öfter kein Wasser. Das ist ziemlich eklig«, sagte ein weiterer Mitarbeiter, er durfte kurz vor der Rente stehen.
»Ich notiere das«, sagte Paul Weiss und schrieb sich etwas in einen kleinen Notizblock, den er vor sich liegen hatte.
Offenbar war das Eis gebrochen, denn nun schütteten alle Mitarbeiter ihr Herz aus darüber, was im Betrieb nicht funktionierte. Dass es mal an Seife fehlte oder dass das Werkstor zu schwergängig sei. Allein: Zu den zuvor von Paul Weiss angesprochenen Problemen kam kein Kommentar.
Damit hatte Weiss nicht gerechnet. Nach über eineinhalb Stunden beendete er die Sitzung, dankte der Belegschaft fürs Kommen und Stefano Lo Mele fürs Übersetzen und ging aus dem Raum. Er war enttäuscht, dass man so lange an Scheinproblemen herumdoktern kann, ohne die wirklich wichtigen Dinge anzupacken. Und er wollte Trombetta erst einmal aus dem Weg gehen.
Was ist diesmal schief gelaufen?
Wie Weiss hier vorgegangen ist, war sehr deutsch, man kann es nicht anders sagen. Er hat schlicht vergessen, dass das Konzept des Bella-Figura -Machens in Italien allgegenwärtig ist, nicht nur beim Flanieren auf der Straße. Versuchen wir, seine Fehler nacheinander aufzudröseln.
Weiss‘ schwerster Verstoß gegen italienische Verhaltensregeln ist sicher, dass er seinen Chef vor allen seinen Mitarbeitern kritisiert hat. Italiener haben ein gänzlich anderes Verhältnis zu Kritik wie die Deutschen. Kritik sollte man nur bei engen Beziehungen üben. Im Fall von Paul Weiss wäre es besser – und zweckdienlicher – gewesen, in einem Einzelgespräch mit Jacopo Trombetta über die strittigen Punkte zu reden. So aber fühlt sich Trombetta bloßgestellt.
Dazu ist es zumindest strittig, wo Paul Weiss im Vergleich zu Jacopo Trombetta in der Hierarchie steht. Doch selbst wenn er in der
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