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Feucht

Feucht

Titel: Feucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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erwischt, als ich das Bügeleisen absichtlich auf seine Lieblingsjeans stellte, weil ich finde, dass er in dieser Jeans einen riesigen Hintern hat. Er kam früher nach Hause, als ich versuchte, allein mit dem Schrubber in der Hand argentinischen Tango mit einem Videokurs zu lernen, er hat mich masturbierend mit einem seiner Pornobücher (Folge X: Lesbische Lolitas lecken lustig) in der Hand gesehen und kotzend, nachdem er mir erzählt hatte, dass in seinem tollen neuen Saumagenrezept, das ich gerade gespachtelt hatte, Leber drin war. Er kennt mich mit Schlammpackungen im Gesicht und mit ausgekugeltem Hüftgelenk, als ich mit der Nachbarstochter von gegenüber gewettet hatte, ich könnte immer noch meinen linken Fuß hinter den Kopf schieben, wie ich das als Kind oft getan hatte. Dass er nach all diesen Anblicken immer noch mit mir verheiratet ist, ist ein gutes Zeichen für unsere Beziehimg, und dass ich nach all diesen peinlichen Situationen immer noch versuche, ihm so einen Anblick zu ersparen, ebenfalls.
    Wobei: Ich habe ihn in mindestens genauso vielen prekären Stellungen erlebt, einmal sogar mit einem dicken Holzbleistift von Obi im Hintern und einer fleischfarbenen Strumpfhose von mir über dem Kopf, während im Fernsehen ein Video der Backstreet Boys lief, anschließend hatten wir dann eine lange Beziehungsdiskussion, also ich bin ja wirklich tolerant, und jeden soll anmachen, was ihn eben anmacht, und ich benutze auch nicht schnell Begriffe wie «pervers», aber: die Backstreet Boys? Ehrlich, da habe ich mir wirklich Sorgen gemacht, das nur am Rande.
    Jedenfalls stand ich also heulend und schnaufend eingeklemmt in diesem blöden Body vor diesem blöden Spiegel, und mein Süßer zerrte den Stoff so lange nach oben, bis ich dachte, meine Schultergelenke geben nach, und dann war ich endlich frei, hatte eine Frisur, als hätte ich gerade in die Steckdose gefasst, und ein Make-up wie für eine Halloweenparty. Und ich fiel ihm schluchzend um den Hals und stammelte irgendwas von Kaufhaus abbrennen und die Backstreet Boys bei Obi zersägen lassen, und da hielt mir der Süße mit einem Mal den Mund zu und sah mich ganz ernst an und sagte: «Caro: Wenn wir nicht bald Rente für dich beziehen wollen, musst du mal Urlaub machen. Fahr zur Kur.» Deshalb bin ich also hier. Wegen dieses Bodys im Grunde.
    Bist du schon mal im Regen durch einen verlassenen Kurort in der Nähe von Hannover gewatet? Echt: das ist toll. Der Himmel hing grau und pappig nur ein paar Meter über meinem Kopf. Es waren kaum Leute im Park, in dem man sich bei Ankunft zum Kurappell melden musste. Verlassene Kurorte und vor allem verrottete Seebäder finde ich klasse, im Nebel verschwinden meine Krähenfüße um die Augen und meine Cellulitis strafft sich wie von selbst. Da werde ich um Jahre jünger.
    Also, wenn ich mal ganz ehrlich bin, dann war das ja auch irgendwie der Grund, wieso ich mir ausgerechnet so einen uncoolen Kurzurlaub ausgesucht hatte. Klar, war ich erschöpft, wenn ich irgendwo unterschrieben habe, musste ich mich schon konzentrieren, damit ich keinen Fehler machte, und welcher Wochentag gerade war, wusste ich auch nur noch, weil ich ständig einen Kalender bei mir hatte. Ich fing sogar an, «Forsthaus Falkenau» im Zweiten zu sehen, und träumte nachts von dem Förster mit dem ewig gleichen milde grinsenden Gesichtsausdruck. Mann, dieser Schauspieler hat einen Charme wie Schuppenflechte, und trotzdem konnte ich nicht abschalten. War also klar, dass ich mal rausmusste, aber ich hätte ja auch irgendwo in die Sonne fliegen können. Aber es musste Bad Oeynhausen sein. Erstens arbeitet meine Freundin Sandra gerade an ihrer Abschlussarbeit in Germanistik über Krankheiten und Psychosen bei Thomas Mann, und in den Buddenbrooks fährt auch jemand nach Oeynhausen (dem nutzt das allerdings nix), und dann wollte ich auch wirklich meine Ruhe haben. Außerdem dachte ich mir, in so einem Heilbad siehst du jede Menge Herzpatienten und wirklich kranke Menschen, da fühlst du dich gleich besser.
    Ich meine, gib's doch zu, wenn du so richtig scheiße drauf bist, weil zum Beispiel der Rock von deinem Lieblingskostüm nicht mehr ganz zugeht und du ihn hinten mit einer Sicherheitsnadel feststecken musst, die dir dann im unpassendsten Moment in den Hüftspeck pikst, sodass du quiekst wie ein Ferkel und du das Meeting unterbrichst und o-beinig zum Waschraum eierst, als bekämst du ständig Stromstöße von deinen batteriebetriebenen Liebeskugeln, wenn du

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