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Feucht

Feucht

Titel: Feucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Aber nicht sie und ihr Sauriergesicht waren das Gesprächsthema, sondern ich. Also unterbreitete sie mir noch, ich hätte da einen beunruhigenden Leberfleck neben dem Mund (ja, den hab ich, aber der ist nicht beunruhigend, sondern sexy, Cindy Crawford wäre ohne ihren niemals ein Topmodel geworden), sie wolle mir nicht Angst machen, aber ich sollte damit imbedingt mal zu einer Klinik gehen. Im Klartext also, ich habe Hautkrebs, und diese Puderdealerin hat das innerhalb von Sekunden diagnostiziert. Dabei weiß ich genau, dass der Fleck völlig unbedenklich ist, ich war nämlich mal mit einem Hautarzt liiert, und als ich nach der ersten Nacht in einem verkommenen Bahnhofshotel mit Dusche mitten im Zimmer (der Hautarzt hielt das für verwegen und stimmungsvoll) in die Laken gebreitet dalag, sah er mich an und sagte: «Du hast da einen Fleck auf dem Oberarm, der muss weg, warte, bis ich meine Approbation habe, dann schneide ich dir den raus.» Danke fürs Gespräch. Kurze Zeit später habe ich ihn geschnitten, und zwar aus meinem Leben, das aber nur am Rande. Dann drückte mir die Herrin der Cremetiegel 74 Pickel aus, ich hab mitgezählt, weiß der Geier, wo sie die gefunden hat, vorher waren sie jedenfalls nicht in meinem Gesicht. Und dann war ich entlassen. Spätestens jetzt brauchte ich wirklich Erholung.
    Kennst du das? Ein Gefühl von totaler Erschöpfung, das einen völlig aushöhlt, sodass man sich kaum mehr zu irgendetwas aufraffen kann? Die Douglasschnepfe hatte mich echt geschafft. Ich habe eine Freundin, Isolde, die sieht besser aus als ich und hat viel mehr Geld, ist aber trotzdem eine ganz Nette. Vor einiger Zeit hat sie mal einen Beautyurlaub in so einem Esoterik-Spaßbad in Österreich gewonnen. Ich weiß zwar nicht genau, was da abgegangen ist, weil Isolde immer sehr diskret ist, aber es hat ihr offenbar so gut gefallen, dass sie seitdem systematisch Thermen und Beautyzentren durchurlaubt. Und bei einem ihrer Berichte hatte sie mir von Shiatsu-Massagen erzählt, dem «Schönsten, das man außer Sex mit zwei Körpern machen kann», und ich beschloss, dass das genau das war, was ich brauchte, ein paar Streicheleinheiten für die verspannten Muskeln, ein bisschen Aufmerksamkeit, jemand, der sich um mich kümmert, ohne an mir herumzumeckern.
    Gleich am nächsten Morgen durchforstete ich die Werbetafeln und Anzeigenblätter des Ortes und entdeckte in einem Ökocafe auch prompt eine Shiatsu-Masseurin, die glücklicherweise auch noch einen Termin frei hatte. Also setzte ich mich nach dem Mittagessen ins Auto und fuhr erst einmal eine halbe Stunde durch Felder und Äcker. Irgendwann fand ich dann einen verfallenen Bauernhof und schlich aufs Grundstück.
    Eine junge Frau kam mir entgegen. Sie trug fast nichts außer einem knappen T-Shirt und einer dieser ganz kurzen Turnhosen, wie sie in den Siebzigern mal für männlich gehalten wurden, bis sie dann die Schwulenszene für sich entdeckte. Sie stellte sich mit «Fee» vor, nickte dabei sehr langsam und sehr lächelnd und hielt meine Hand viel länger fest als nötig. Dann führte sie mich in eine kleine Scheune, auf der ein Futon auf dem Boden lag. Isolde hatte mir erklärt, wie eine Shiatsu-Sitzung abläuft, lockere Kleidung, dicke Socken, auf dem Boden liegen, durchgeknetet werden, bis zum Koma entspannen, zahlen und gehen. Hier war das anders. Gerade als ich meine Gymnastiksachen anziehen wollte, hauchte die Fee: «Mir ist das lieber, wenn du kein Oberteil anhast, dann spüre ich die Meridianpunkte besser.» «Also gut», dachte ich, «Meridiane sind ein Argument. (Was zum Henker sind Merediane? Davon hatte Isolde nichts erzählt.)», und legte mich barbusig unter ein dünnes Laken.
    Die Fee kniete sich neben mich und holte ein Klemmbrett hervor. Dann examinierte sie mich über eine Viertelstunde lang, fragte nach Lieblingsfarbe und Lieblingsgeschmack, nach dem Gefühl, das ich am besten und am wenigsten gut ausdrücken könne, und ob ich schon einmal an Selbsterfahrungsseminaren teilgenommen hätte. Danach kündigte sie an, sie werde jetzt ein Pulsdiagnose ausführen, legte ihre Finger um mein Handgelenk und wartete mit geschlossenen Augen. Vorwurfsvoll sah die Fee mich an. «Komisch», sagte sie, «ich fühle bei dir gar nichts.» «Aber ich habe einen Puls, ich weiß das», versuchte ich mich zu rechtfertigen, aber sie schüttelte nur den Kopf, als hätte mein Handgelenk sie verärgert, und trug das auf ihrem Formular ein. Dann sammelte sie sich, lächelte

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