Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.
Wagen heranrasen, einen ganzen Zug mit Drehleiter- und Krankenwagen, Lösch- und Schlauchwagen und dem PKW des Brandmeisters. Martinshörner gellten in seinen Ohren, die blauen Rundumleuchten warfen grelle Blitze über die regennassen Pflastersteine.
Männer in Feuerwehruniformen sprangen blitzschnell von den Autos. Die Ersten liefen ohne zu zögern mit Handlöschgeräten in das Haus, das jeden Moment in die Luft fliegen konnte. Wie mutig diese Männer waren! Täglich setzten sie für andere Menschen ihr Leben aufs Spiel. Falco stand barfuß auf dem kalten Straßenpflaster, er zitterte unter seinem dünnen Kimono, er wusste nicht, ob vor Kälte, vor Angst oder vor Erregung beim Anblick dieser harten, tapferen Kerle.
Die übrigen Feuerwehrleute fuhren die Leitern aus, entrollten die langen Schläuche, schraubten den Hydrantendeckel auf und schlossen die C-Rohre an. Die ganze Mannschaft war perfekt eingespielt, niemand sprach, jeder wusste, was er zu tun hatte.
Nach wenigen Minuten kam einer der Männer, die ins Haus gestürmt waren, zurück.
»Ist der Wohnungsinhaber hier?«, fragte er mit einer festen, maskulinen Stimme in die Menge von Mietern und Schaulustigen hinein.
»Ja, ich!«, rief Falco und trat schnell vor. »Falco Illing ist mein Name.«
Der Mann war größer als Falco, bestimmt knapp zehn Jahre älter, breitschultrig und kräftig. In der Uniform und mit dem Helm wirkte er wie eine unnahbare Statue. Sein Gesicht war scharf geschnitten, energisch, und seine blauen Augen musterten Falco mit einem durchdringenden Blick. »Brandmeister Mark Thiel! Sie hatten Glück!«, sagte er und nickte Falco zu. »Eine Gasverpuffung, es hätte gefährlich werden können. Passiert öfter bei solchen Altbauten. Aber ist schon alles erledigt!« Er wandte sich mit einer ausholenden Armbewegung an seine Leute. »Alles wieder einpacken! Brand gelöscht!«, rief er. »Und dann nach oben, auf Schwelbrände kontrollieren!«
Falco folgte dem Brandmeister durch die Gasse der Neugierigen ins Haus. Seine eben noch so gemütliche Wohnung glich plötzlich einem Armeefeldlager, das gerade verlegt werden sollte. Feuerwehrleute kontrollierten alle Räume auf Funkenflug. Gasrohre wurden verplombt. Löschschaum tropfte noch von der Wand. Die Küchendielen wurden abgebeilt, um auch wirklich jeden Schwelherd zu entdecken. Es roch nach Rauch und Verbranntem. Falco stand hilflos und verzweifelt da.
Thiel fasste überraschend sanft um seine Schultern. »Nicht aus der Ruhe bringen lassen!«, meinte er und schmunzelte sogar. »Es hätte viel schlimmer kommen können. Sind Sie hausratversichert?«
»J-a«, stammelte Falco. Er spürte die kräftige Hand an seiner Schulter. Am liebsten wäre er Thiel in die Arme gesunken, hätte sich trösten lassen. Irgendwas musste er doch wenigstens tun, um den mutigen Männern zu danken! »Dürfen Sie … ich meine, ich habe Bier da, vielleicht für Sie und Ihre Leute …«
Thiel schüttelte den Kopf. »Nicht im Dienst! Haben Sie Mineralwasser?«
»Ja!« Falco sprang zum Kühlschrank, der zwar etwas verrußt, sonst aber unversehrt war.
Dann stand die schimmernde Reihe der Feuerwehrleute in seinem Wohnzimmer, jeder mit einem Glas in der Hand. Die Helme glänzten im Schein der Rundumleuchten, die immer noch auf dem Löschzug draußen liefen und rasche Blitze durch die Fenster warfen. Die Gesichter waren jung, die meisten ernst, angespannt, nur einige wirkten erleichtert. Mark Thiel überragte sie alle, an Körpergröße und an Autorität.
Zwei Polizisten traten plötzlich durch die weit offene Wohnungstür ein. Thiel mahnte seine Leute zum Aufbruch. Falco war es zumute, als würde ein enger Freund ihn verlassen.
»Danke! Vielen, vielen Dank!«, murmelte er, als Thiel ihm männlich die Hand schüttelte. Er sah noch einmal in die blauen Augen. Er glaubte, in einem tiefen See zu versinken. Bleib doch! Umfass mich noch einmal! Nur noch einmal!, wollte er flüstern, aber er sagte nur: »Auf Wiedersehen!«
»Erzählen Sie uns doch mal, wie es passiert ist!«, drängten ihn die beiden Männer von der Funkstreife. »Wir müssen bei einem Brand immer alles zu Protokoll nehmen.«
Seufzend wandte Falco sich ihnen zu und schnürte den Gürtel seines Kimonos fester.
Es dauerte fast eine Stunde, bis die Polizisten endlich wieder abfuhren. Die hatten auch das Bier gerne genommen! Falco stand nun an seiner Küchentür und betrachtete den Schaden. Genau genommen war es wirklich glimpflich ausgegangen. Ein bisschen
Weitere Kostenlose Bücher