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Feuer brennt nicht

Feuer brennt nicht

Titel: Feuer brennt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Rothmann
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unzeitige Stärke ist eben auch Schwäche. Doch nun sieht er sein Glied immer mal wieder erschlaffen zwischendurch, und damit Alina nicht denkt, sie wäre nicht verführerisch genug, entzieht er sich ihrer Hand und küsst sie, wo sie es am liebsten hat, wobei er darauf achtet, sie nicht zu kratzen mit seinen Bartstoppeln, noch nicht. Sie atmet tief und hebt ihm das Gesäß entgegen; gleichzeitig stopft sie sich ein kleines Kissen unter den Bauch, dann noch ein größeres, und diese professionell anmutende Geste erregt ihn vollends.
    Doch sie ist noch nicht feucht genug, er fühlt es, als er mit dem Daumen in sie eindringen will, und so lässt er einen kristallweiß glitzernden Speicheltropfen zwischen die Schenkel fallen und verreibt ihn mit der Spitze seines Glieds. Langsam beginnt er, sehr langsam, und ignoriert das Keuchen und die leichte Zappeligkeit, in die sie oft schon nach den ersten Stößen gerät. Der Versuch, sich mit ihr in einem Rhythmus zubewegen, scheitert häufig an ihrer wilden Besinnungslosigkeit, und er beruhigt sie, indem er sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie sinken lässt und hält den Kopf so, dass sie seinen Morgenatem nicht riechen muss. Er umklammert ihre Brüste.
    Vögel zanken sich auf dem Dach. Die Tokkaten sind verstummt. Alina kommt mit einem dunklen Stöhnen, bei dem sie alle zehn Finger spreizt, bewegt sich aber gleich darauf weiter, und er genießt es, das Ende hinauszuzögern; es bereitet ihm kaum noch Schwierigkeiten, seit er gelernt hat, tief zu atmen dabei und seine Beckenmuskeln anzuspannen und wieder zu lockern. Auch wenn er bei der einen oder anderen Gelegenheit mit fremden Frauen schläft, spritzt er nur noch selten zu früh und muss sich also nicht mehr verstellen oder verkrampfen; das latent Blamable oder auch Ernüchternde liegt jetzt woanders. Immerhin bleibt es ein erfreuliches Kuriosum seiner Jahre, dass die Orgasmen trotz nachlassender Potenz erschütternder werden. Weil er noch nichts weiß von der Akustik der neuen Wohnung, unterdrückt er einen Schrei und schmiegt das Gesicht mit einem leisen »Mein Gott!« an Alinas Hals. Dann schlafen sie noch einmal ein.
    Später, als sie im Bad ist, benutzt er die Gästetoilette, ein Gefühl von Luxus. Doch bereits während des Frühstücks – die Küche mit dem Blick auf die Dachterrasse scheint geräumiger zu sein, als sie ist; außer den Einbaumöbeln hat nur ein kleiner quadratischer Tisch mit zwei Stühlen darin Platz – beengt ihn der Gedanke, dass sie von nun an jeden Morgen so nah beieinander sitzen werden. Alina ist ungeschminkt, ihrGesicht ein bisschen verquollen, die zerzausten Haare müssten gewaschen werden; jedenfalls haben sie einen leicht sauermilchigen Geruch, wie es oft bei Rothaarigen vorkommt. Sie trägt einen Hausanzug aus flusigem Samt und verschiedenfarbige Socken, und außerdem isst sie ihren Toast auf eine Art, die er zwar schon immer erstaunlich fand bei dem kleinen Mund; ein Biss, und das halbe Ding ist weg. Doch was ihn früher amüsiert hat, befremdet ihn plötzlich, und schon wehrt er sich dagegen, in ihrem Mampfen mit vollen Backen und dem traumverlorenen Blick in die Gärten ein Zeichen dafür zu sehen, dass alles schiefgehen wird mit ihnen. Er legt Musik auf, eine CD von John Cale. Die humane Spannkraft dieser Stimme hilft ihm seit jeher über die eigene Herzensenge hinweg. »Fear is a man’s best friend.«
    Dann besprechen sie noch einmal die Aufteilung der Räume, und Alina beteuert, dass ihr die beiden kleineren mehr als recht seien, einer zum Schlafen, einer zum Arbeiten. Er mit seinem Schreibtisch und den vielen Büchern brauche schließlich den großen, das Wohnzimmer, und sie habe sogar schon überlegt, ob denn wirklich zwei Betten nötig seien; er könne schließlich in ihrem schlafen. Doch als er sie wortlos ansieht, hebt sie rasch beide Hände. »Okay, okay, war bloß ein Vorschlag.« Auch die Einrichtung der Wohnung, die fast nur aus Schrägen besteht, sollte überlegt werden. Die wenigsten ihrer Möbel sind wirklich zu gebrauchen; manche stehen schon im Keller. Man müsste Regale und Schränke in die spitzen Winkel bauen lassen, und es wäre einiges an Raum gewonnen,wenn man die unsinnig große Dachterrasse zur Hälfte überglasen könnte, ein Wintergarten als Esszimmer; aber zu all dem fehlt letztlich Geld. Seinen Verleger mag er nicht eher darum bitten, als das neue, für den Sommer versprochene Buchmanuskript fertig ist, und während Alina die Wohnung einrichtet, so gut es

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