Feuer brennt nicht
sie brauchten; sie waren beweglich und konnten sich frei fühlen, und diese Freiheit sieht er jetzt in Gefahr. Doch Alina, die ein Vermögen aus Zuversicht besitzt, einen chronisch blauen Blick, sie lacht ihn aus und glaubt wie immer, dass das Schicksal klüger ist als er, der sogar schon an Auftragsarbeiten denkt, einen Job in irgendeiner Redaktion. »Beleidige dein Glück nicht«, sagte sie noch am Vorabend des Umzugs. »Wenn du je etwas für Geld machen würdest, könnte ich dich nicht mehr lieben.«
Und dann schrillte die Klingel und die Sache wurde handfest; Herr Schmischuh kam, ein sehniger Mann mit Kinnbart und schulterlangem Haar, ein Hippie, der seit 1968 Möbel transportiert mit seinen Leuten, im blumenbemalten Lkw, und sie kochten Kaffee undbelegten Brötchen in der kahlen Küche. Dabei erzählte er die Geschichte von dem Professoren-Ehepaar, letzte Woche. Endlich neue, endlich größere Räume, und dann noch im Grunewald! Tagelang hatte man gepackt, Jahrzehnte in Kisten, und immer wieder innegehalten, weil es zu diesem Glas oder jenem Brief eine Geschichte gab; doch als sie vor dem neuen Haus parkten, einer atemberaubend schönen Gründerzeitvilla, weigerte sich die Frau plötzlich, den Wagen zu verlassen. Sie hatte Tränen in den Augen, konnte nicht sprechen, fast eine Stunde lang nicht, und auch der Mann schwieg und starrte mit ihr hinaus in den Regen. Und schließlich fuhr man zurück, ohne Erklärung oder Kommentar. Man fuhr zurück in die vertraute Enge und packte alles wieder aus …
Das hatte er wohl ermutigend gemeint, der Menschenkenner. Er weiß, wie er riecht, der kalte Schweiß der Zweifelnden, im letzten Moment Zögernden. Nicht nur Hausrat transportiert er, auch Irrtümer; keine große Sache. »Zum Glück gibt es mich !«, steht auf seiner Visitenkarte. Den Kaffeepott in der einen, den Schusterjungen mit Käse in der anderen Hand, schlenderte er durch die beiden Wohnungen, musterte das karge Mobiliar, die Teppichrollen und die Kisten voller Bücher, und sagte: »Na, wat! Det kriegen wir doch allet mit eener Fuhre weg!«
In der Zeit, in der plötzlich überall Tango getanzt wurde, wehte Wolf von irgendwoher ein Satz an, den er sich aufschrieb: Du musst nicht vollkommen sein,kannst durchaus einen Fehler machen, einen falschen Schritt; aber tu es mit Überzeugung.
Es ist jetzt fast Mittag, und Alina schläft immer noch. Sie hat Druckstellen an den Armen, rötliche Striemen vom Tragen der Kartons. Auf einem Unterteller neben dem Bett ihr Schmuck, die Kette mit dem Aquamarin. Vom Nachbarn auf derselben Etage hört man leise Musik, Tokkaten von Bach. Die Sonne scheint durch das orangefarbene Rouleau vor dem Dachfenster, die Balken knacken in der Hitze. Wann immer ein Lastwagen durch die Straße oder ein Zug über den Bahndamm fährt, zittert die Oberfläche des Wassers im Glas auf dem Stuhl, und die Spitzen der Zimmerpflanzen kritzeln das leicht aufgeregte Kardiogramm der Stunde in die Luft.
Wie meistens, wenn es ihr zu hell ist, schläft Alina mit einem Arm über den Augen. Unter der Decke ragt ein Bein hervor, der Nagellack an den Zehen blättert ab. Stark die Wade, weiß die Haut, alabastern, wofür sie sich oft noch schämt; nie trägt sie Kleider ohne Strümpfe außer Haus. In der Leistenfalte ein paar rötliche Stoppeln, und unter dem Hemd mit den fadendünnen Trägern und dem Satinbesatz zeichnen sich die Brüste ab, die sich kaum verändert haben in all den Jahren; zart sind sie und schwer zugleich, die reine Fülle. Sie schnauft leise, schluckt, und als sie sich auf den Bauch dreht und ein Knie anwinkelt, verrutscht der knappe Slip über dem Hintern. Einige helle, narbenartige Streifen ziehen sich über die Seiten, doch anders als bei den meisten vollbusigen Frauen Ende dreißig sind ihre Hüften ausladend, die Pobacken rund, under schiebt eine Hand unter den Stoff und befühlt vorsichtig die rasierte Haut zwischen Schenkel und Möse; hier gibt es eine andere Glätte als am übrigen Körper, einen zarten Rest Kindheit. Er drängt sich an sie und beißt ihr sanft ins Ohr.
»Willkommen in der neuen Wohnung«, flüstert er, die Stimme rau nach tiefem Schlaf, die Lippen trocken. Sie gähnt und räkelt sich und fingert dabei nach seinem Schwanz, der noch nicht steif ist, wie es jetzt gelegentlich vorkommt. Was ihn manchmal beunruhigt. Auf seine Erektion war bisher Verlass gewesen, ein Zeiger, der meistens sogar vorging, und das Problem bestand eher darin, die Erregung zu verbergen;
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