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Feuer brennt nicht

Feuer brennt nicht

Titel: Feuer brennt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Rothmann
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den drei oder vier polierten, mit Nieten auf dem Stoff befestigten Platten blitzt der Kerzenschein, als er in den Gastraum kommt und Wolf mit einem »Na, na, was gibt das denn!« den Stuhl aus der Hand nimmt. Der hat nicht nur gewackelt, er ist bedrohlich verzogen, und der Mann schüttelt den Kopf. Knochig das Gesicht, schmal der Mund, straff nach hinten gebürstet das Haar. »Dann sagen Sie mir das, und Sie kriegen einen neuen. Hier kann nicht jeder machen, was er will.«
    Wolf zwingt sich, freundlich und gelassen zu bleiben. Die verraucht überhebliche Art des Mannes ist offenbar ein Reflex aus der Vergangenheit, als er noch der zuteilende oder verweigernde Herr über die raren Plätze war. Jetzt ist das Lokal leer, und sie bestellen Fisch, marinierten Hecht aus dem See, zu dem Alina Bratkartoffeln möchte. Der Wein stammt aus Sachsen, und zum Dessert gibt es eine Quarkspeise mit frisch gepflückten Beeren, die tatsächlich aus dem Wald kommen. Jedenfalls finden sie einen Käfer darin,einen bläulich gepanzerten, der beim Rühren zwei Beine eingebüßt hat. Wolf wischt ihn mit der Serviette blank und legt ihn sichtbar auf den Tellerrand. Doch der Kellner ignoriert das, verzieht nur geringschätzig den Mund, als wären sie genauso kleinlich, wie er sich das gedacht hat, und fragt, ob sie Kaffee wollen. Und als sie verneinen, bringt er unaufgefordert die Rechnung; Feierabend, kurz vor neun.
    Mit einem Bierfilz schabt er die Krümel vom Nachbartisch, ein Geräusch, als würde er mit einer Rute durch die Luft wischen, und Wolf tippt auf den Zettel. »Hier steht eine Portion Bratkartoffeln extra«, sagt er.
    Der Kellner verengt die Augen. »Ja, und? Sie haben doch welche gegessen, oder nicht?«
    Wolf atmet tief, und Alina greift nach seiner Hand und schüttelt den Kopf; ihre Stimme ist ruhig. »Ich wollte sie aber statt der Salzkartoffeln.«
    »Ich weiß. Ich bin nicht taub.«
    Sie öffnet den Mund, starrt ihn an und ist nicht nur sprachlos wie meistens, wenn ihr eine Unverschämtheit widerfährt; traurig sieht sie aus, was den Mann offenbar reizt. Seine Kieferknochen zucken. »Das Gericht ist auf der Karte mit Salzkartoffeln angeführt. In Druckbuchstaben. Wenn Sie eine andere Sättigungsbeilage wünschen, müssen Sie die zusätzlich bezahlen, das ist doch wohl klar.«
    Wolf legt den Betrag auf den Tisch, ohne Trinkgeld; auf keinen Fall will er sich jetzt auf das Niveau einlassen. »Zusätzlich, das ist das Wort. Kursiv gesprochen. Und wieso hatten wir dann keine Salzkartoffeln?«
    »Na, weil Sie gebratene wollten. Was wird’n das jetzt. Wo sollte ich die denn noch unterbringen auf dem Teller.«
    »Ach, da haben Sie recht«, sagt er und steht auf; einen gehörnten Moment lang denkt er daran, sich die Kartoffeln einpacken zu lassen, für den Hund; dann sucht er den Blick des Mannes, doch der weicht ihm aus, löscht die Kerzen, und während sie sich die Jacke zuknöpft, betrachtet Alina den Raum mit den Kristallleuchtern, den schiefen Stühlen und dem rußigen Kamin wie etwas, das sie nie wieder betreten wird. Und fast schon sind sie an der Tür, da geht sie noch einmal zum Tisch und legt etwas Trinkgeld auf die Rechnung.

    Dass das Universum über diesem Teil Berlins etwas kleinkarierter zu sein scheint als in den Bezirken, die sie kennen, würde vielleicht weniger auffallen, fehlte es zudem nicht spürbar an Geist, sowohl im intellektuellen als auch im spirituellen Sinn. Das jahrzehntelange Ausbluten der Intelligenz im Ostteil der Stadt – an ihrem Rand macht es sich am schmerzlichsten bemerkbar. Der zauselige Moderegisseur in der Lederjacke, der beschwingte Filme über die DDR und ihre leicht trotteligen, im Grunde aber liebenswürdigen Überwachungs- und Gefängnisoffiziere dreht, der Poet mit Ohrring, der Zeitgemäßes auf Bestellung schreibt und sie vor laufender Kamera aus dem Laptop vorliest, seine lyrische Häkelware, der epische Zigarrenhändler, der Erinnerungen an den untergegangenenStaat, in dem nicht alles schlecht war – »Jetzt spreche ich!« –, im Selbstverlag herausgibt, die Aquarellistin, die sich Diplom-Künstlerin nennt und ornamentale »Schwingungsbilder« zwischen Fisch und Honig auf dem Wochenmarkt verkauft – das ist die Boheme. Und die lokalen Politiker lassen sich ohnehin nur im Wahlkampf blicken, wo sie eine Stunde lang hinter dem Tapeziertisch voller Flugblätter stehen und es durchaus bedauern, dass kaum Ausländer, schon gar keine farbigen, ins schöne Köpenick kommen und die NPD

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