Feuer der Götter: Roman (German Edition)
ergänzte sie: »Die auf deinem Rücken.« Ein Mann, der einen solchen Körper besaß, konnte gewiss schon einmal vergessen, von welcher Verletzung gerade die Rede war.
»Sie hat sich geschlossen, oder?« Auf ihr Nicken fügte er matt an: »Aber darunter lodert das Gift; ich spüre es.«
»Wir sollten der Göttin der Heilkräfte etwas opfern, meinst du nicht auch?«
»Xocehe?«, fragte er gedehnt. »Nein, auf keinen Fall! Was ist nun mit der Schlange?«
Weshalb reagierte er auf ihren Vorschlag so entsetzt? Passte es ihm als vermeintlichem Gott etwa nicht, dass man einem anderen Gott opferte? Dann soll er halt weiter leiden! Naave machte sich daran, die Schlangenspieße über dem Feuer aneinanderzulehnen. Schweigend starrte sie in die Flammen. Da war wieder die Erinnerung … die Mutter in der Flammenhölle des Hauses … die Schreie. Ihr eigenes Geschrei, als sie rannte … und rannte. Doch als hätte sie in letzter Zeit zu oft daran gedacht, waren die inneren Bilder dieses Mal blass und leise. Naave reichte dem Dämon einen Spieß, der misstrauisch daran roch. Dann riss er mit den Zähnen die lederne Haut herunter, ohne darauf zu achten, ob ihm das Fleisch die Lippen ansengte. Vorsichtig biss sie in ihren Spieß. Die Tepehuano schmeckte ohne die passenden Kräuter und über der offenen Flamme zubereitet eher verbrannt als geröstet. Dennoch seufzte Naave erleichtert. Sie trank aus der Panzerschale und reichte sie Royia.
Als sie fertig waren, schob er mit der geleerten Schale Erde über das Feuer. Es war dämmrig geworden und Zeit für ein Nachtlager.
Wie sie es immer tat, steckte die Mutter die Bezahlung, einen Kupferring, auf den Daumen. So konnte ihr keiner den Lohn stehlen, wenn er ging. Der Mann, dem sie heute Nacht einen Platz auf der Schlafmatte gewährte, riss seinen Schurz herunter und warf sich auf sie. Er schwitzte übermäßig, er redete wirres Zeug, wie es jene taten, die zu viel Rauschtrank in sich hatten. Aber er stank nicht danach. Sein Glied blieb schlaff. Er heulte, wühlte in ihren Haaren. Sie hatte Angst. Sie drehte den Kopf zu Naave, die hereingekommen war. Ihre Hand machte eine abwehrende Bewegung: Naave sollte nicht sehen, was hier geschah. Die Mutter bemerkte nicht, dass Flammen auf seinen Schultern züngelten. Naave überlegte, ob sie das wirklich sah und nicht etwa träumte. Flammen, Flammen, hell lodernd, sie sprangen auf die hölzerne Wand, sie sprangen auf Kleidung und Matten. Der Mann stand auf. Er breitete die Arme aus. Ein Flammenwesen. Er drehte sich, Feuer schoss aus seinen Händen. Ein Dämon. Naave warf sich auf den Boden. Er war nicht allein. Sein Feuer warf Schatten. Der Schatten bewegte sich. Anders als die Flammen. Er war lebendig. Die Mutter rannte durch die Hütte, streckte sich nach Naave. Schwärze hinter dem Dämon. Zucken, Flirren, alles ging unter im Chaos. Der Schatten griff um sich. Der Schatten war schlimmer als das Feuerinferno. Es war der Tod.
Er war wieder hier.
Naaves Schrei und der der Mutter waren eins.
Wieder hier … hier … hier …
Bei der Güte des Gott-Einen! Warum schrie dieses Mädchen, als röste es jemand über dem Feuer? Sofort war Royia hellwach. Es war stockdunkle Nacht. Irgendwo glühten Insektenaugen, und ein Schlingschwanzaffe brüllte, empört über die Störung der Nachtruhe. Royia brauchte einen Augenblick, sich zu orientieren; sein eigener Zustand machte ihm nach wie vor zu schaffen. Richtig, er hatte Naave mit auf einen Angua genommen, wo sie beide in einer breiten Astgabelung halbwegs geschützt schlafen konnten, eine Liane um die Mitte der jungen Frau geschlungen und das Ende um den Ast gebunden, damit sie nicht im Schlaf herunterfiel. Ihr hatte es nicht gepasst, sich in die Kuhle zu kauern, so nah bei ihm, dass sich ihre Schultern berührten. Und ihm den Rücken zugekehrt und die Fersen in seine Seite gestoßen, damit er auch ja begriff, was sie davon hielt.
Er packte ihren Arm und schüttelte sie.
»Er ist hier!«
Ihre Worte kamen als tiefes, entsetztes Klagen, das seine Nackenhaare aufstellte. Sie schlug um sich. In dieser vollkommenen Dunkelheit hatte er Mühe, sie festzuhalten.
»Tiiique, hilf mir …« Nicht nur ein Klagen, ein Geheul vielmehr, tief aus einer wunden Seele.
»Naave!«
»Hilf, oh, hilf mir, Tique, er ist … er ist …«
Eine kräftige Ohrfeige könnte von Nutzen sein. Allerdings mochte er nicht zuschlagen, schon gar nicht, wenn er nichts sah. Also mühte er sich, die zappelnde Frau
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