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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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ein kleines Reptil auf schlanken Füßen ihren Weg kreuzte, sich neugierig aufrichtete und, wenn sie näher kam, überraschend zarte Flügel ausbreitete und flatternd davonhüpfte, oder wenn blaugebänderte Schlangen Kämme aufstellten, die schillerten wie vergossenes Lampenöl auf einer Wasserlache – dann vergass Naave den Hunger, die schmerzenden Füße und wo sie war.
    Zusehends kam ihr der Atem schwerer; die Luft war getränkt von schweren Düften und dichtem Nebel. Das Priesterinnengewand klebte in jeder Hautfalte. So zart der Stoff war, er machte sie wund. Und obschon sie das Laufen auf bloßen Füßen gewohnt war, schmerzten Blasen und Schrunden. Als Royia sie an einer Quelle rasten ließ, sank sie auf die schweißnassen Schenkel und tauchte die Arme in warmes, klares Wasser. Sie scherte sich nicht um die kleinen kugeligen Panzertiere, die quiekend über die Steine hinweg davonstoben.
    »Ich sehe nach«, sagte Royia, und sie wusste, was er meinte: Er stieg wieder in den Lichtwald hinauf, um die Richtung zu bestimmen. Naave suchte den Boden des Teichs nach Getier ab, ertastete runde Steine und glitschiges Moos. Genüsslich seufzend setzte sie sich hinein und schöpfte das Wasser über ihre Beine. Wie lange waren sie nun unterwegs? Tage, Wochen, so schien es ihr. Ob sie den Großen Beschützer heute noch fanden? Ihn zu überqueren, erschien ihr nach all der Mühsal wie eine letzte kleine Hürde. Was sie danach tun wollte …
    Sie schrak hoch, als Royia vor ihr heruntersprang.
    »Ich weiß nicht, wo wir sind«, sagte er. »Über den Bäumen hängt Nebel.«
    »Aber die richtige Richtung, die weißt du doch?« Sie wollte nicht wahrhaben, dass sie sich verirrt hatten.
    »Im Moment weiß ich gar nichts«, sagte er rauh. »Nur, dass wir nicht länger sinnlos herumstapfen können. Wir müssen zusehen, dass wir etwas zu essen finden, und dann ein Lager für die Nacht suchen.«
    Und wenn auch diese Nacht nicht die letzte in dieser Wildnis war? So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Ihre armselige Hütte im Graben erschien ihr plötzlich gar nicht so übel.
    Schwer atmend beugte er sich vor; das Quellwasser sprudelte über sein Gesicht. Er öffnete den Mund und trank gierig. Dann schob er den Kopf vor, so dass das Quellwasser durch seine Haare lief. Er fuhr sich hindurch, zupfte Kletten und Blätter heraus. Mit beiden Händen strich er die Haare nach vorne und wrang sie aus. Im Aufrichten ließ er sie über den Kopf auf den Rücken klatschen. Die Tropfen flogen wie gläserne Perlen in alle Richtungen.
    So menschlich, dachte Naave.
    Seine Flammenzeichnung war so blass, dass sie kaum mehr auffiel in seinem Gesicht. Wäre dies ein Mal, könnte es sich derart verändern?
    Unfug. Sie schüttelte den Kopf. Das war nur eine Täuschung des Zwielichts.
    Er hockte sich an ihre Seite, legte die Arme auf die Knie und schloss die Augen. Trotz der fahlen Düsternis sah sie, wie erschöpft er war. Auch seine Schultern waren von Kratzern übersät, die jedoch kaum bluteten und daher kein Licht aussandten. Sein Schurz hing, wie ihr Kleid, nur noch in Fetzen. Und wahrscheinlich roch sie genauso durchdringend nach Schweiß wie er.
    »Wir sind verloren, oder? Du kannst es mir ruhig sagen. Als Gott solltest du das schließlich wissen.«
    Auf ihre Stichelei ging er nicht ein; dazu war er wohl zu müde. »Nebel ist oft an den Berghängen«, sagte er matt. »Wir sind also in der Nähe des Berges und nicht, wo wir sein sollten, in der Nähe des Flusses. Die heiße Quelle beweist es. Es kann aber auch sein, dass beides beieinanderliegt – wer sagt denn, dass der Fluss ewig in einer geraden Linie vom Berg wegführt?«
    »Wieso weißt du das nicht?«
    »In diesem Teil des Waldes war ich noch nie; die Jagdgebiete meines Stammes liegen nicht in dieser Richtung.«
    Abrupt sprang sie hoch, stieg aus dem Becken, schnappte sich ihren Spieß und stapfte davon.
    »Wo willst du hin?«, rief er ihr nach.
    »Endlich etwas jagen! Du kannst ja meinetwegen Käfer und Raupen essen, du als Waldmensch – verzeih mir, Wald gott! Aber ich bin eine Stadtfrau.«
    Sie hörte ihn aufstöhnen und etwas brummen, das nicht sehr freundlich klang. Schritte raschelten hinter ihr. Sie wollte ihm hinwerfen, dass sie keine Begleitung brauchte. Aber als sie sich umwandte und zu ihm aufsah, schrumpften die Worte zu einem heiseren Schlucken. Egal, wer er ist, dachte sie. Seine Nähe ist beruhigend.
    • • •
    »Ja!« Stolz auflachend hob Naave den Schilfrohrstecken hoch.

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