Feuer der Götter: Roman (German Edition)
bevor sie es aussprechen konnte, drückte seine Hand das Wort zurück in ihren Mund.
Ohne sich zu bewegen, glitten seine Blicke seitwärts. Unendlich langsam löste er sich von ihr und kauerte an ihrer Seite.
Irgendwo hoch in den Bäumen war ein Rascheln, das eine Spur zu laut wirkte. Etwas – jemand – war dort oben.
Royia war auf die Hände gesackt. Seine Armmuskeln spannten sich im vergeblichen Versuch, wieder auf die Beine zu kommen. Zwischen den zusammengepressten Zähnen stieß er hart die Luft aus, warf die Haare zurück und rieb sich mit dem Handrücken über das schweißnasse Gesicht.
Was war mit ihm? Eben hatte er sie trotz seiner Müdigkeit scheinbar mühelos niederhalten können; nun aber … Allmächtige Götter, hinter ihm schimmerte die Luft – er blutete wieder Licht. Stärker als zuvor.
Er warf sich hoch, schaffte zwei Schritte unter die Blätter eines der riesigen Farne und fiel wieder auf ein Knie. Naave konnte förmlich spüren, wie die Kraft aus ihm wich, während er der Länge nach hinfiel. Der Dolch entglitt seiner Hand. Plötzlich begriff sie: Wer immer sie waren, sie hatten ihn früher bereits gestellt. Sie hatten ihm den Dorn in den Rücken gejagt.
Sie würden ihn töten. Und ihr vielleicht helfen, hier herauszukommen. Dazu musste sie nicht mehr tun, als aufzustehen und sich bemerkbar zu machen.
Hier! Hier ist der, den ihr sucht …
Die Worte lagen verlockend auf der Zunge. Ein Ruck ging durch Naaves Körper. Sie wollte die Arme heben, wollte springen und schreien.
Sie stürzte sich auf den bäuchlings daliegenden Dämon und warf sich auf ihn. Ihr Leib bedeckte seine Wunde, löschte das Licht. Neben ihm lag der Dolch; hastig schob sie Erde darüber, um auch die Klinge unsichtbar zu machen. In ihrem Kopf rauschte das Blut und übertönte die Geräusche des Waldes.
Warum tue ich das? O Tique, warum tue ich das?
Vorsichtig drehte sie den Kopf und versuchte in die Dunkelheit zu spähen. Allzu lange würde sie es Haut an Haut mit dem Dämon nicht aushalten, denn seine Wunde brannte an ihrer Brust. Er bewegte sich unter ihr, schien zu versuchen, wieder zur Besinnung zu kommen. In Gedanken wollte sie ihn dazu zwingen, nicht aufzustehen. Wo waren die Verfolger?
Etwas prallte gegen ihre Seite und stieß sie von ihm herunter. Naave japste vor Schreck. Ein Mann stand neben Royia und stellte gemächlich den Fuß, mit dem er sie getreten hatte, auf seinen Rücken. Das Wundlicht strömte an schlanken, kräftigen Beinen hinauf. Über einem dunkelgrünen Schurz aus Bastgeflecht lagen geflochtene Ledergürtel. Vier Messer steckten darin. Die Riemen eines Bogens und eines Köchers kreuzten sich auf der nackten, mit schwarzen Streifen bemalten Brust. Sein langes dunkles Haar ähnelte Royias. Unwillkürlich suchte Naave in dem mit Farbe beschmierten Gesicht die gleiche Feuerzeichnung, fand jedoch keine.
Aber auf beiden Unterarmen saßen Waffen, wie auch Royia eine besessen hatte. Die libellenähnlichen Hinterleibe der Menschentöter wanden sich um die Arme und verschwanden in den Armbeugen.
Der Mann würdigte sie keines zweiten Blickes. Er beugte sich zu Royia hinunter, wischte einige Haarsträhnen von der Wunde, so dass sie noch kräftiger aufleuchtete. Dann griff er in Royias Haar und drehte den Kopf, offenbar auf der Suche nach dem Feuermal. Sein Grunzen war die Bestätigung, den Gesuchten gefunden zu haben. Hatte er dem Dämon den Dorn in den Rücken gejagt? Oder war es jener gewesen, der sich hinter dem Häscher aus den Schatten schälte und zu ihm trat, in seiner Aufmachung ein Zwilling des ersten?
Naave wartete, ob noch mehr Männer kämen. Doch das geschah nicht. Die beiden starrten auf den Bewusstlosen. Sie verständigten sich mit kaum merklichen Gesten. Schließlich hob einer seine rechte Hand. Er zielte auf Royias Rücken.
Spannung erfasste das Insekt. Die Mandibeln bewegten sich.
Sie töten erst ihn und dann mich.
Naave presste die Handflächen in den weichen Boden, wollte rücklings fortkriechen. Doch ihre Muskeln waren weich wie zu Brei geschlagene Manoqwurzeln. Sie war zu nichts anderem fähig als zu starren. Nicht auf den Fremden. Nur auf Royia. Noch erblickte sie ihn lebend. Noch …
Sie zuckte zusammen, als ein Dorn mit einem leisen Knall zwischen den Mandibeln hervorschoss. Zugleich kam aus der Tiefe des Waldes ein hässliches Sirren. Der Mann keuchte auf. Ein Gewirr roter Fäden schlang sich blitzartig um seinen Hals. Ein zweites Mal kamen die Fäden aus der Höhe
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