Feuer der Götter: Roman (German Edition)
Rande des Käfigs und krallte die Finger in seine wirren Maschen aus trockenen Schlingpflanzen. Er war wie ein riesiger Korb, wie auch die anderen. Die Tiere darin äugten misstrauisch herüber, nur die buntgefiederten Vögel zwitscherten und lärmten, während sie hin und her flatterten. Ein grauhaariger Affe richtete sich an seiner Käfigwand auf und zeigte erst gefletschte Zähne, dann sein rotleuchtendes Hinterteil. In kleineren Körben summten und rasselten Zikaden, Heuschrecken und Käfer. Sie alle harrten hier vermutlich aus, um irgendwann bei den Frauen dort drüben in ledernen Kochbehältnissen zu landen. Naave verbot sich die Überlegung, ob sie und Royia nicht aus dem gleichen Grund hier hingen.
Es gab auch Hütten, die nicht an der Felswand des Wasserlochs hingen. Einige standen unter den hängenden Zweigen eines weiteren Krüppelmanoqs wie hinter einem Fadenvorhang, und eine Hütte, größer als alle anderen, war hoch oben in den Baum gebaut. Ihre Entführer liefen nach Art der Waldmenschen den Stamm hinauf und verschwanden darin. Kurz darauf kamen zwei wieder heraus und hielten auf den Käfig zu.
Sie schnitten die Öffnung wieder auf und sprangen hinein. Naave presste sich in die Rundung des Geflechts und zog die Knie an. Doch die Männer beachteten sie nicht. Sie wälzten Royia auf den Bauch und wischten sein Haar beiseite. Einer hatte eine kleine Kalebasse bei sich; die öffnete er und tränkte einen Lappen, den er auf Royias Wunde drückte. Dies tat er mehrmals, während der andere den Dämon niederhielt, wenngleich der sich nicht rührte. Schließlich stöpselte er das Behältnis wieder zu.
Die beiden verschwanden und kehrten in das Baumhaus zurück. Naave hob nicht den Kopf. Sie wusste auch so, dass sie den Käfig wieder sorgfältig verschlossen hatten.
9.
D ie Lampen in den Hütten erloschen. Die Männer hatten den ganzen Tag mit aufgebrachten Stimmen beratschlagt, und noch im Dunkeln redeten sie sich die Köpfe heiß. Naave spitzte die Ohren, verstand aber nichts. Irgendwann legten sie sich schlafen. Zu dem allgegenwärtigen Plätschern des Wassers gesellte sich ihr Schnarchen.
Royia war nur einmal erwacht, hatte über Durst geklagt und war wieder weggedämmert. Naave tastete nach seiner erhitzten Haut. Seine Wunde war geschlossen. Ihr schien es, als sei sie sogar kleiner geworden. Es war Axotspeichel, mit dem die Männer die Verletzung behandelt hatten. Vielmehr Axotzunge – ausgekochte Axotzunge. Am Tage hatte Naave zu ihrer Verwunderung mit angesehen, wie man die abgeschnittene Zunge in Stücke geschnitten, aufgekocht und den Sud in einen Tontopf gefüllt hatte. Dann hatte man das Tier zerhackt und gekocht, das Fleisch abgelöst und die Knochen in Bastmatten gehüllt und verschnürt. Tränen waren bei manchem geflossen. Die Frauen hatten sich an die Brust geschlagen und Klagelieder angestimmt, während die Männer die Bündel fortgetragen hatten.
Ihr und Royia hatte man einen ledernen Schlauch mit Wasser und ein paar getrocknete Früchte und Wurzeln herabgelassen. Naave genügte es. Sie verspürte keine Lust, gekochtes Axotfleisch zu probieren.
Ihr kam der Gedanke, bei der Göttin der Heilkunst ein gutes Wort für Royia einzulegen. Aber wenn er nicht wollte, dass sie zu Tique betete, dann war es ihm vielleicht auch nicht recht, wenn sie Xocehe anflehte?
Er schläft, er wird es ja nicht merken.
Trotzdem konnte sie sich nicht überwinden, die Hände in Richtung des Himmels zu recken und ein Gebet anzustimmen. Seine eindringliche Warnung war ihr noch in guter Erinnerung.
Tatenlos dasitzen würde sie jedoch nicht.
Sie griff in den Verband, den sie noch immer um die Brust trug, und förderte das Messer zutage, das sie ihrem Bewacher während der Rangelei abgenommen hatte. Falls er den Verlust bemerkt hatte, war ihm wohl nicht der Gedanke gekommen, dass sie ihre Finger im Spiel gehabt haben könnte. Zumindest war er nicht erschienen, um hier danach zu suchen. Aber wenn ein Kerl vier Messer und Dolche von wahrhaft beeindruckenden Ausmaßen am Gürtel trug, mochte der Verlust eines kleinen Steinmessers, mit dem er vielleicht nur den Dreck unter den Nägeln beseitigte, nicht weiter auffallen.
Naave streckte sich nach der Öffnung und machte sich an der Verschnürung zu schaffen. Es war anstrengend, doch bald geschafft. Sie schob das Messer zurück in ihr Kleid. Mühsam hangelte sie sich hinauf und kämpfte sich nach draußen. Der Affe gab grunzende Geräusche von sich, die sie innehalten
Weitere Kostenlose Bücher