Feuer der Götter: Roman (German Edition)
Schneckenhäuser eingeflochten. Naave hätte es nicht verwundert, wären sie noch bewohnt.
»Wir achten sehr sorgfältig auf unsere Vorräte, Naave«, kam er endlich zur Sache. »Und Axotsud gehört zum Kostbarsten, was wir haben. Du hast wirklich geglaubt, dass dein Diebstahl nicht auffällt?«
Doch, aber nicht so schnell.
»Du klaust nicht zum ersten Mal, nicht wahr?« Er griff in einen Beutel aus Affenfell und holte Blätter heraus, die er kaute. Vielleicht erhoffte er sich eine Linderung seines eigenen Gestanks.
»Ich brauchte den Sud für Royia«, kam es ihr vorwurfsvoll über die Lippen. »Ihr habt ihm nicht genug davon gegeben.«
»Ich sagte, es ist kostbar. Immerhin wurde seine Wunde versorgt.«
»Er benötigte es innerlich. Aber das haben deine Leute anscheinend nicht erkannt.«
»Doch, natürlich.« Mit dem Nagel des kleinen Fingers pulte der Häuptling zwischen seinen Zähnen herum und förderte einen Rest des gekauten Blattes zutage. Er betrachtete es und schob es sich wieder in den Mund. »Es gibt viele verschiedene Giftarten, und es gibt verschiedene Axotarten. Manchmal muss man die Zunge in die Öle bestimmter Samen legen, damit sich die heilende Wirkung entfaltet. Es ist nicht so, dass wir den Gefangenen tot sehen wollen. Noch nicht zumindest. Aber wir hätten ungern ausprobiert, was bei ihm hilft, und unsere Vorräte dabei verschwendet. Daher musste die äußere Versorgung vorerst genügen. Aber wie es scheint, hast du unbeabsichtigt zur passenden Arznei gegriffen. Denn man sagte mir, er sitzt aufrecht in seinem Käfig und sieht sich mit wachen, klaren Augen um.«
Naaves Herz tat einen Satz. Das hatte sie nicht gewusst.
Schluckweise hatte sie Royia den ganzen Inhalt des gestohlenen Lederbalgs verabreicht. Danach hatte er weitergeschlafen, und auch sie war todmüde in sich zusammengesunken. Als die gefangenen Vögel und die des Waldes den heranbrechenden Morgen begrüßt hatten und sie kurz erwacht war, hatte er unverändert dagelegen. Sie war sogleich wieder eingeschlafen, bevor sie ihn hatte genauer in Augenschein nehmen können, und erst dann wieder erwacht, als die Männer lautstark schimpfend den Käfig geöffnet hatten.
Beinahe tat er ihr leid, dass er dort nun hockte und nicht wusste, was alles geschehen war.
»Freut dich das?« Pemzics Stimme klang lauernd. »Ist er dein Gefährte?«
»Nein!«
»Was, nein? Es freut dich nicht?«
»Doch, aber er gehört nicht zu mir. Er ist …«
»Ja?«
»Frag ihn doch selbst, was er ist!«
Es wäre sicherlich interessant, dabei zuzusehen, wie diese Leute hier Royias Gerede vom Gottsein aufnehmen würden, dachte sie grimmig.
»Gut«, Pemzic rieb sich die dürren, von dicken Adern und Flecken überzogenen Hände. »Es hätte mir doch ein wenig leidgetan, euch zu trennen – wäre es so gewesen, dass man etwas hätte trennen können. Aber so wird es weder ihm noch dir allzu schwer fallen, wenn du in meine Hütte übersiedelst.«
»Was soll ich hier?«, fuhr sie entsetzt auf.
Er lauschte und hob einen Finger, als eine der Frauen draußen mit schriller Stimme ein Kind ausschimpfte. »Das ist mein Weib Para, eine alte, dürre Mla-Schote und genauso stechend im Geschmack. Ich denke mir schon seit geraumer Zeit, dass ich gerne etwas hübsches Junges hätte. Nun haben dich die Götter mir sozusagen vor die Füße geworfen. Wir beten sie nicht an; wir opfern ihnen nicht, und trotzdem machen sie ein so schönes Geschenk, haha!« Seine Hand schlug auf die Lehne ein, dass der Stuhl knarzte. Naave wurde schwindelig. Übelkeit packte sie, als er sich hochstemmte und wieder auf sie zukam. Seine Hand fuhr in ihr Haar und zog sie hoch. Kaum war sie auf den Beinen, um für Abstand zu sorgen, lag ein sehniger Arm um ihre Mitte und presste sie an eine dürre und dennoch biegsame und starke Brust.
Naave schlug auf ihn ein. Doch da sie den Atem anhielt, weil sie seine Nähe anders nicht aushielt, fehlte ihr die Kraft. »Lass mich los«, keuchte sie, den Kopf hin- und herwerfend, um seinen Lippen zu entkommen, die er auf ihre pressen wollte. Tique, das alles war nicht wahr! Erst musste sie einem Feuerdämon näher sein, als ihr lieb war, und jetzt das!
»Mädchen, meine Art musst du schon entschuldigen. Ich hab so etwas Weiches mein ganzes Leben noch nicht im Arm gehabt, und hier im Stamm leben nur vertrocknete Kakteen, mein Weib eingeschlossen. Komm, ein Kuss nur …«
»Nein! Nein! Wage es!«
»Ich wage es ja.«
Sie spuckte ihm ins Gesicht. Er lachte
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