Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
Vom Netzwerk:
jemals auf den Gedanken kommen, wirst du es bitter bereuen, hast du verstanden?«
    Er sagte es so gefährlich leise, dass sie sofort nickte. Weshalb war ihm das so wichtig, als ginge es um Leben oder Tod?
    »Gut. Du warst in der Vorratshütte, gib’s zu, Mädchen.«
    Wer sich als Dieb durchs Leben schlug, kannte den unangenehmen Augenblick, erwischt zu werden. Dann rannte man davon oder verlegte sich aufs Betteln. Wer gut lügen konnte, tat auch das. Naaves Talent in dieser Hinsicht war nicht so ausgeprägt, wie sie es gerne gehabt hätte. Und das Betteln hasste sie. So blieb ihr nur ohnmächtige Wut.
    »Ihr hättet ihn doch sterben lassen, ihr rohen Tiere!«, schrie sie ihn an. Der andere hob eine Faust zum Schlag, und sie duckte sich. »Was wollt ihr überhaupt von uns?«
    »Von dir will keiner etwas. Wenn man davon absieht, dass du dem einen oder anderen das Wasser in den Mund treibst.«
    Die beiden schnappten sie an den Oberarmen und zerrten sie am Rand des Wasserlochs entlang. Es war früh am Morgen; die Siedlung, oder was immer dies war, war zu geschäftigem Leben erwacht. Die Frauen schürten das Feuer und klopften Manoqwurzeln zu Brei. Später würden sie ihn trocknen und zu Mehl verarbeiten; so kannte es Naave aus der Stadt. Auch die Kinder hatten ihre Pflichten; sie fegten den Platz um den steinernen Herd oder brachten Wasser herbei. Eifrig hüpften sie die steil abfallenden Äste hinab bis zur Wasseroberfläche und wieder herauf, die Panzerschalen von Tieren oder aus Häuten gefertigte Behältnisse in den Händen. Als die zeternde und strampelnde Naave an ihnen vorbeigezerrt wurde, duckten sie sich hinter ihre Mütter.
    Die Männer zerrten Naave in eine Rundhütte am Fuß der Weide. Grob drückte man sie zu Boden. »Das ist der Häuptling des Dorfes, also auf die Knie mit dir«, grollte eine Stimme über ihr. Naaves Zorn wich einem angstvoll klopfenden Herzen. Die grässlichen Schläge auf die Fußsohlen, die sie sich zuletzt für einen lächerlichen Brocken Manoqbrot eingehandelt hatte, erschienen ihr plötzlich als eine milde Strafe.
    »So, du hast also diese dumme Sache gemacht.«
    Ein Schilfrohrstuhl knarrte; ein Mann erhob sich und schälte sich aus den Schatten des Palmblattdaches. Er kam auf sie zu. Die Schnüre mit den Steinperlen auf seiner Brust klimperten, als er sich zu ihr herabbeugte und unter ihr Kinn fasste, um ihren Kopf zu sich herumzuzwingen. Unwillkürlich senkte sie die Lider, als er sie ausgiebig musterte. Er griff nach ihrem Seidenkleid und rieb den Stoff zwischen den Fingern.
    »Du bist eine Städterin.« Das war eine Feststellung, keine Frage. »Und du scheinst aus einem sehr wohlhabenden Haus zu kommen. Ich dachte, die reichen Leute dort wüssten sich zu benehmen. Ohne diesen Stoff am Leib müsste man ja denken, du kämest aus dem, was man Gosse nennt. O ja, ich weiß einiges über die Stadt.«
    Graben nennt man das bei uns, verbesserte sie ihn in Gedanken.
    »Aber vielleicht hast du das Kleid ja auch gestohlen?« Er kehrte zu seinem Stuhl zurück, und Naave atmete unwillkürlich auf. Stets hatte sie geglaubt, dass es keinen Menschen gab, dessen Mundgeruch den ihrer alten Hüttenvermieterin im Graben übertraf. Nun sah sie sich eines Besseren belehrt.
    Der Mann legte langsam seine Unterarme auf die Armlehnen. Vermutlich war er ein Düsterer, der irgendwann in der Stadt gewesen war und sich diese hoheitsvolle Art des Sitzens von den reichen Leuten in ihren Tragstühlen abgeschaut hatte. Auf eine Geste hin kam eine Frau aus den Schatten und machte sich an den aus Blättern gefügten Vorhängen zu schaffen, welche die Wände bedeckten. Ein Streifen fahlen Morgenlichts fiel auf ihn. An Naave vorbei verließ sie die Hütte, die Eingangsplane hinter sich herabwerfend. Plötzlich wünschte sich Naave, die beiden Bewacher wären nicht draußen geblieben.
    »Wie heißt du?«, fragte der Häuptling.
    »Naave.«
    »Mein Name ist Pemzic.«
    Interessiert mich nicht, lag ihr auf der Zunge. Allerdings hatte eine ähnliche Frechheit die Zahl der Schläge auf ihre Füße damals verdoppelt, also hielt sie besser den Mund.
    Pemzic neigte sich vor. Auch das erinnerte an die reichen Leute in ihren Sänften, wenn sie auf den Märkten Ware begutachteten. Um Hand- und Fußgelenke trug er Steinkettchen, teils mit Federn behängt, die reichlich zerrupft aussahen. Das gelbe, schwarzgefleckte Fell einer Cijac, das um seine Schultern lag, war abgewetzt und sicher voller Flöhe. In die langen Haare hatte er

Weitere Kostenlose Bücher