Feuer der Götter: Roman (German Edition)
kauerte sich wieder neben das Bein auf den Boden. Diese Schlächter! Daran war vor allem ihr Vater schuld. Und sie hatte ihn irgendwie … gemocht. Dafür schämte sie sich zutiefst. »Ich wünsche ihm alles Schlechte!«, stieß sie hervor. »Mögen die Götter …«
»Nein, Kind, davon wird es nicht besser. Mir hilft nur Cupalrauch; wenn er meine Sinne betäubt, dann auch die Schmerzen.«
»Noch besser wäre allerdings, goldenes Palmnussöl einzuatmen«, warf die Wirtin ein. »Dann könnte sie wenigstens einmal durchschlafen. Aber das ist viel zu teuer.«
Naave dachte an den betäubten Royia auf der Opferbrücke. Wahrscheinlich hätte Nanxi mit Freuden zu viel eingeatmet und wäre längst gestorben. »Nein, ich weiß ein Mittel. Eines, das dich wirklich heilen könnte. Allerdings weiß ich nicht, ob es das hier überhaupt gibt. Und wenn, wäre es wohl unbezahlbar.«
»So etwas gibt es nicht«, schnaubte die Wirtin.
»Doch. Der Sud ausgekochter Axotzunge. Oder der Speichel eines lebenden Axot.« Naave zog den Ausschnitt ihres Kittels herunter. »Seht ihr die kreisrunde Narbe? Das war ein Pfeil. Eigentlich müsste ich tot sein. Aber ich war dank des Speichels so schnell wieder auf den Beinen, dass ich mich fragen müsste, ob ich das nicht nur geträumt habe, wäre die Narbe nicht.«
»Du hast geträumt.«
»Ich glaube dir.« Nanxi neigte sich vor und legte beide Hände auf ihre Wangen. »Ein Pfeil … Du hast mir auch viel zu erzählen, nicht wahr?«
Naave nickte. Sie schwor sich, den Axotsud zu beschaffen. Ganz sicher gab es ihn irgendwo in der Stadt, so wie es eine Axothaut und Axotfedern im Besitz des Hohen Priesters gab. Wie sie das anstellen sollte, wusste sie zwar nicht. Aber irgendwie würde sie es schaffen. »Lass uns erst einen Ort finden, an dem wir bleiben können. Ich gehe wieder fischen. Irgendwie muss man ja anfangen.«
»So ist es recht.« Nanxi lächelte zufrieden.
Die Wirtin griff in ihren Ärmel und förderte eine Ringschnur zutage, von der sie drei große Kupferringe abnahm und in Nanxis Hand drückte. »Viel ist es nicht«, sagte sie und blickte bedauernd auf die Ringe. Doch Naave war sich sicher, dass es nicht das Geld war, dessen Verlust sie bedauerte. »Und ich kriege es auch nicht wieder; machen wir uns nichts vor. Nun geht schon, geht!«
Naave half Nanxi aufzustehen. »Was ist mit euch, ihr faulen Hühner?«, schalt die Hurenwirtin ihre Mädchen, die sich sogleich wieder über ihre Näharbeiten beugten. »Nachher, wenn die Kerle kommen, habt ihr nichts getan!«
• • •
Auf Naaves Klopfen öffnete Machiqa die Tür des Fliegenden Axot. »Können wir hierbleiben?«, fragte sie geradeheraus. »Tante Nanxi war meine Amme und braucht jetzt Hilfe.«
»Ach!« Die Hure ließ den Blick über Nanxi schweifen. »Und da sagten doch die Leute immer, dass eine Tepehuano dich genährt haben müsse, Naave. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr hier eine Zeitlang unterkriecht. Aber es kostet dich ein paar Fische, und zwar noch heute!«
Naave führte Nanxi, die einen Arm um ihre Schulter gelegt hatte, in den verlassenen Schankraum und half ihr, sich auf eine Bank zu setzen. Sie nahm sich die Zeit, das kranke Bein auf ihren Schoß zu legen und kräftig zu kneten. Es tat Nanxi wohl, und sie lächelte Naave dankbar an.
Naave holte ihr Kanu aus dem Schuppen und zog es hinunter zum Fluss. Dann machte sie sich auf zu ihrem Inselchen. Irgendwo im Schilf, in der Nähe der Statue Tiques, lagen hoffentlich noch ihr Bogen und die Pfeile. Es scheint so lange her zu sein, dass ich gesehen habe, wie Royia dort über den Baum den Fluss überquerte, dachte sie, und sie wünschte sich heimlich, sie sähe ihm noch einmal dabei zu. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich mich ihm jetzt in die Arme werfen würde …
Ob er ihre Umarmung erwidern würde? Was dachte sie sich da überhaupt? Selbst wenn er kein Gott oder Dämon oder Waldmensch – ein anderes Wesen – wäre, so hätte er an ihr gewiss kein Interesse.
»Und wann hast du die gefangen?« Die Frau neigte sich über die Matte, auf der Naave ihren bescheidenen Fang darbot. Ein paar Flussgründler, kleine hellrote Naqasfuchsfische und einen Felsentaucher.
»Heute früh«, erwiderte Naave mit dem freundlichsten Lächeln, das sie aufbringen konnte.
»Felsentaucher«, murmelte die Frau in sich hinein, während sie sich das stoppelige Kinn rieb. »So etwas habe ich zuletzt im Fliegenden Axot gegessen, aber das gibt es ja nicht mehr. Und im
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