Feuer der Götter: Roman (German Edition)
laut, und trotzdem habe ich dich gehört. Ich wollte dir nach, aber die Wächter ließen es nicht zu.«
Nanxi schwieg, und Naave wartete voller Furcht auf die nächsten Worte.
»Was haben sie getan?«, drängte sie. »Ich weiß noch, dass ich Angst um dich hatte.«
»Ach, Naave, nicht alles ist es wert, erzählt zu werden.«
»Bitte. Ich will alles wissen. Bitte!«
Nanxis Seufzen kam rasselnd aus der Brust. Wie viel Cupalrauch hatte sie schon eingeatmet, weil er ihr vergessen half? »Sie brachten mich in eine Waffenkammer. Ich versprach ihnen, nicht wiederzukommen, schließlich wollte ich nichts anderes als zurück zu dir und Matui. Ich flehte sie an, mich gehen zu lassen. Aber sie wollten sichergehen, dass ich nie wieder den Gedanken hegte, herzukommen. Ganz wie der Hohe Priester es gewünscht hatte …«
»Haben sie … dich …«
»Auch das. Und sie schlugen mich.«
Mehr sagte sie nicht, und Naave wagte nicht, weiter zu fragen. Sollte sie je an ihrem Entschluss gezweifelt haben, nicht zu ihrem Vater zurückzukehren, so war sie sich jetzt völlig sicher. Niemals sollte er sie wiedersehen! Und sollte er je auf den Gedanken kommen, sich ihretwegen in den Graben zu verirren, so würde sie ihm mit solcher Wut entgegenschleudern, was sie von ihm und seinem Tempel hielt, dass er auf der Stelle und für immer kehrtmachte.
»Ich spüre deine Wut, Naave. Aber denk nicht mehr daran; es ist lange her.«
»Was … was geschah dann?« Naave schloss die Augen in der Erwartung weiterer grauenhafter Dinge.
»Man steckte mich für ein paar Wochen in die Kammer, in der man gelegentlich Waldmenschen gefangen hält, um sie beim Fest zu opfern. Auch zu dieser Zeit gab es dort einen, der ständig brüllte und heulte und gegen die Tür schlug. Das war noch schlimmer als die Nacht bei den Tempelwachen … Zum Fest der Endenden Finsternis ließ man mich wortlos laufen. Ich kehrte zu Matui zurück, aber wir stritten uns, weil ich dich einfach mitgenommen hatte, und dann bin ich fortgegangen.«
Naave hob den Kopf. »Mutter war zornig auf dich? Nach allem, was dir passiert ist?«
»Ach«, Nanxi winkte ab. »Ich kam ja gar nicht so weit, ihr davon zu erzählen. Ich hätte es tun können, aber ich war selbst völlig verwirrt und voller Zorn. Also habe ich den Graben verlassen, habe gebettelt in der Stadt, mich irgendwie durchgeschlagen … Als ich nicht mehr konnte vor Hunger und Schmerzen, bin ich zu euch zurückgekehrt.«
Sie schwieg, und Naave fragte sich, wann das gewesen war. Sie hatte Nanxi nie wieder gesehen …
»Euer Haus stand in Flammen.« Nanxis Stimme war nur noch ein krächzendes Wispern. Ihre Nägel glitten durch Naaves Haar und brannten auf der Kopfhaut, doch Naave hielt still. In ihrem Kopf rauschte es. Das Feuer … die Stimme der Mutter … Lauf, Naave! Sie spürte heiße Tränen über ihre Wangen laufen.
»Du hast – du hast es gesehen? Du hast gesehen, wie … sie …«
»Nein, ich habe nur das Haus brennen sehen. Und einen großen Teil des überirdischen Grabens. «
In Naaves Erinnerung war es ein großes Feuer gewesen. Dass noch andere Hütten gebrannt hatten, war ihr aber nie bewusst gewesen. Dabei war es bei diesen dichtgedrängten, zumeist aus Schilfrohr gefertigten Hütten naheliegend, dass das Feuer sich nicht nur eine geholt hatte.
»In all dem Durcheinander und Geschrei fand ich deine Mutter – ich war es, die sie in den westlichen Sümpfen begrub. Es war das Letzte, wozu ich noch fähig war.«
Naave kam sich vor wie in einem entsetzlichen Gewitter: Donnerschlag folgte auf Donnerschlag. Sie wunderte sich, dass sie des Denkens noch fähig war, statt sich in Verzweiflung und Tränen aufzulösen. »Du hast Schmerzen erwähnt …«
»Ja, von den Schlägen der Wächter habe ich eine Verletzung. Aber so schlimm ist es gar nicht.«
Naave runzelte die Stirn. »Ich sagte doch, ich will alles wissen.«
Nanxi zog mit der freien Hand den Saum ihres Kleides hoch. »Eigentlich wollte der, der das getan hatte, nur die flache Seite seines Lavasteinschwerts benutzen. Aber das ist ihm nicht ganz gelungen.«
Ein Verband lag um das rechte Knie. Der Unterschenkel war geschwollen, während das andere Bein überaus schmal war, wie seit langem wenig benutzt. »Sag nicht, du bist gelähmt«, keuchte Naave.
»Das nicht, aber jeder Schritt ist eine Qual. Ich schleppte mich herunter in den eigentlichen Graben, wie so viele, die hier nach dem Feuer Schutz suchten. Irgendjemand las mich auf und brachte
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