Feuer der Götter: Roman (German Edition)
mich hierher. Die Hurenwirtin nahm mich auf, weil sie dachte, man könne noch etwas aus mir machen; dabei wollte ich das gar nicht. Ich wollte sterben. Nun ja, ich blieb am Leben. Anfangs tat ich tatsächlich, was sie von mir erwartete. Aber das Bein wollte und wollte nicht heilen. Es war mir inzwischen auch egal geworden, weißt du. Hätte ich dieses Haus verlassen müssen, dann hätte ich eben auf der Gasse gehockt. Mir war alles so gleichgültig, dass mich sogar das Sterben nicht mehr interessierte. Ich glaube, ich wurde der Hurenwirtin etwas unheimlich, und deshalb wagte sie es nicht, mich hinauszuwerfen. Seit ein paar Jahren tue ich kaum mehr etwas anderes, als hier in der Kammer zu liegen und mir gelegentlich die Nöte der Mädchen anzuhören. Manchmal raffe ich mich auf und koche für sie oder nähe. So seltsam sich das anhören mag, aber es scheint, als bedeute ich ihnen etwas. Und das an einem Ort, an dem es kein Mitleid gibt!«
Nanxis Lachen klang seltsam heiter. Fast wäre es Naave lieber gewesen, sie hätte wieder geweint. So aber blickte sie erstaunt zu der Amme auf, die sich langsam beruhigte und wieder den verlorenen Gesichtsausdruck annahm.
»Ich wusste, dass du irgendwo im Graben warst. Aber ich besaß nicht mehr die Kraft, mir auch nur zu wünschen, dich wiederzufinden. Ich wollte dich vergessen. Ich habe dich vergessen. Bis zu dem Tag, als man sich erzählte, dass eine junge Frau einen Feuerdämon in den Tempel gebracht hatte, auf der Opferbrücke erschienen und dann verschwunden war.« Sie klopfte sich gegen die Schläfe. »Da kam mein Kopf wieder in Gang. Ich war ja die Einzige, die sich erklären konnte, warum du auf der Brücke warst: weil du zum Eintritt in die Novizenschaft einen Menschen opfern solltest.«
»Ich will da nicht mehr hin! Dazu habe ich inzwischen zu viel über ihn und den Tempel gehört.« Und über die Götter, dachte sie. Zumindest einige von ihnen.
»Da möchte ich dir beipflichten«, erwiderte Nanxi. »Ob es allerdings die rechte Entscheidung ist – wer weiß. Aber lass uns darüber jetzt nicht reden. Ich fühle mich so lebendig! Als hätte es die letzten Jahre nicht gegeben. Hilf mir aufzustehen.«
Sie stemmte sich hoch, und Naave gab ihr Halt. Nach zwei wackligen Schritten ließ sie sich wieder auf die Bettstatt fallen.
»Ich muss hinaus; hier kann man ja nicht einmal richtig stehen. Draußen ist die Sonne!« Sie legte die Arme um Naave und weinte in ihr Haar. »Wie habe ich das nur so lange ausgehalten? Ich fühle mich, als wäre ich nach langer Zeit an einem Ziel angekommen, von dem ich nicht wusste, dass ich es noch zu erreichen versuchte. Willst du mit mir kommen? Nein – darf ich mit dir gehen?«
Naave nickte unter Tränen. »Allerdings habe ich auch nur eine winzige Hütte hier unten, und die ist noch schlimmer als die Kammer hier.«
»Wir gehen nach oben. Ich habe ein ganz klein wenig gespart, und du – was kannst du?«
»Klauen«, sagte Naave kläglich. »Und fischen.«
»Dann fischst du. Gestohlen wird nicht mehr. Irgendetwas fällt uns schon ein.« Nanxi nahm ihren Kopf zwischen beide Hände und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Wie früher.
14.
D iese Wunde haben sich schon mehrere Heiler angesehen.« Die Wirtin schnaubte verächtlich. »Aber lässt man einen Heiler des Grabens tun, wie er will, könnte man genauso einen Metzger an das Bein lassen. Beide würden es abhauen.«
Nanxi saß auf einer Hängematte, die eines der Mädchen für sie frei gemacht hatte, den Fuß auf einen Hocker gelegt. Vorsichtig hatte Naave den Verband abgewickelt – und entsetzt den Atem angehalten.
An einer Seite des Knies verlief eine lange, schwärende Wunde.
»Ja, so ist das seit damals«, sagte Nanxi gelassen, als rede sie über einen Riss im Kleid. »Mal ist es besser, mal schlechter; mal tut es so, als wolle es heilen, und dann wieder läuft mir das Wasser aus den Poren.«
»Aus den Poren?«
»Ja, so«, sie drückte einen Finger in die Wade. Ein Wassertropfen sickerte aus der Haut. Als sie losließ, blieb eine Delle zurück.
»Das war der Hieb mit dem Schwert«, sagte die Wirtin, die mit verschränkten Armen dabeistand. »Der hat irgendetwas in dem Bein zerstört. Am linken Arm haben sie sie auch erwischt.«
Bevor Nanxi sich wehren konnte, war Naave an ihrer Seite und schob den Ärmel des grauen Kleides hoch. Eine längliche Narbe kam zum Vorschein.
»Das ist nicht schlimm«, wiegelte Nanxi sofort ab. »Das ist ja längst verheilt.«
Naave
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