Feuer der Götter: Roman (German Edition)
wunderte, sich hierherzuwagen. Sie dachte an Canca und seinen Sohn, der hierher aufgebrochen war. Vielleicht saß er sogar hier irgendwo.
»Sieh an, das Stachelmädchen versucht es mit ehrlicher Arbeit. Wer hätte das gedacht?«
Der Schatten einer Sänfte fiel auf Naave. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Niemand anderer als Tzozic schwebte in einer Liegesänfte heran, von vier kräftigen Männern auf den Schultern getragen. Er schob den Vorhang des Baldachins beiseite und blickte auf sie herab. Aber war das wirklich Tzozic? Sie hatte ihn zuletzt in tiefster Nacht gesehen – hatte er da auch schon die runden Ohrpflöcke aus strahlend poliertem Cijac-Elfenbein und den runden Nasenflügelschmuck aus Malachit getragen? Um die Schultern trug er einen Schmuckkragen aus aneinandergereihten Silberhülsen und eingearbeiteten Federn, und um die Hüften lag ein Schurz aus teurer Vaiiaschotenfaser.
»Der offene Mund macht dich nicht schöner, du diebisches Hündchen.«
»So wenig wie dich all der Schmuck, du Herr aller betrügerischen Köche.«
»Wer hat dich so herausgeputzt?« Er ließ einen angewiderten Blick an ihr hinabwandern, während er sich mit den Fingern, an denen unzählige Geldringe glänzten, den sorgfältig gestutzten und eingeölten Bart kraulte. »Das wird dir auch nicht helfen, deine Fische loszuwerden.«
»Ich habe sie doch nur mitgenommen, um sie dir um die Ohren zu hauen«, gab sie ungerührt zurück.
»Wie denn?«, fragte er. »Du bist da unten im Staub, ich bin hier oben.«
»Das wird vielleicht nicht ewig so bleiben.«
»So lange können deine Fische aber nicht mehr warten!«
»Ich hebe notfalls die Gräten für dich auf!«
Aus dem Vorhang einer zweiten Sänfte schob sich ein kahlgeschorener Kopf. Dichte Brauen über kleinen schwarzen Augen hoben sich erstaunt. »Wer ist das?«
»Das Mädchen?«, brummte Tzozic. »Nichts als ein spitzes Steinchen in der Sandale, Pe Yioscalo. Sie hat mir früher Fische verkauft und mich dabei auszunehmen versucht wie ihren Fang.«
Der Mann gehörte der mächtigen Yioscalo-Familie an? Vorsichtig hob Naave den Blick. Er war noch jung, aber feist wie ein gemästetes Hausschwein. Sein Silberschmuck war so üppig, dass sich Tzozics Aufmachung dagegen geradezu bescheiden ausmachte. Sie glaubte sogar Gold an seinen Fingern aufblitzen zu sehen. Gold! Aber wie konnte es auch anders sein? Ein Yioscalo musste sich nicht um das Verbot des Tempels scheren, Gold zu besitzen. Die Yioscalos machten ja selbst die Gesetze der Stadt.
Er lächelte sie leutselig an. »Der Felsentaucher sieht gut aus. Ich hätte wohl Lust darauf. In Honigkruste gebraten, die Augen kandiert, und die Haut mit Gold bestäubt – das will ich heute Abend.«
»Wie du wünschst, Pe Yioscalo. Ich habe im Fischteich noch ein paar Exemplare.«
»Und zum Nachtisch gebackene Ratatoq-Eier in süßem Peccaschaum! Oder Palmnusspudding mit Sahne?«
»Auch das, wenn es dir gefällt.«
Zufrieden lehnte sich der Yioscalo in seine Kissen und ließ den Vorhang fallen. Tzozic schenkte Naave noch ein kaltes Lächeln; dann schnippte er mit den Fingern, und die Träger marschierten weiter, verfolgt von zwei trippelnden Sklavinnen. So, bekochte er die Yioscalos oder wenigstens einen von ihnen? Dann würde er bald in seinem Reichtum ersticken. Und sie hockte hier, nur einen Schritt vom Betteln entfernt.
Der Silberschmuck um des Yioscalos üppige Mitte – waren das nicht Schnüre mit aufgereihten Silber- und Kupferringen gewesen? So viele, dass er es unmöglich bemerken würde, wenn eine fehlte … Naave sprang auf und folgte den Sänften. In der Menschenmenge fiel sie nicht auf, aber es war nicht leicht, die Sänften, so groß sie waren, im Auge zu behalten. Überall tanzten viereckige Sonnenschirme über den Köpfen; überall schwebten andere Tragstühle vorüber, mit schmuckbeladenen Frauen, die nach Duftölen rochen, oder versperrten Karren den Weg, über und über mit Gemüse beladen. Kurz verharrten die beiden Sänften bei den Waldmenschen; Pe Yioscalos praller Arm wies die Träger jedoch sogleich an, weiterzulaufen. Von einer Frau, die einen Bauchladen mit Gebäck vor sich hertrug, erstand er Peccanusskuchen; eine andere reichte ihm Saft hinauf. Als Nächstes verweilten der Yioscalo und Tzozic an einem Stand mit Messern und Dolchen. Tzozic prüfte ein Fleischermesser, der Yioscalo einen verzierten Dolch. Dann wieder betrachteten sie ausgiebig alle Arten von Totenmasken, die auf Tischen und an
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