Feuer der Leidenschaft
einen seltsam hilflosen Gesichtsausdruck, als er sie von sich schob. Ihre Haare hatten sich wieder aus ihren Spangen gelöst, und er konnte es nicht lassen, mit den Fingern in diesen dik-ken Flechten zu wühlen. Rotbraune Seide, kühles Feuer.
»Wenn ich Euch noch einmal küssen sollte, Rebecca, müßt Ihr mich treten. Meine Willenskraft scheint mir in Eurer Nähe abhanden zu kommen.«
Da stahl sich ein freudiges Lächeln auf ihr Gesicht.
Es fehlten nur ein paar Federn in ihrem Mund, und sie hätte so ausgesehen wie Gray Ghost nach einer erfolg-reichen Jagd. »Meine Willenskraft ist auch nicht sonderlich groß. Ihr dürft nicht vergessen, daß ich die letzten zehn Jahre als ruinierte Frau verbracht habe.«
Sie hob eine Hand, um seinen Kopf wieder zu sich herunterzuziehen. Er fing sie rasch ab, drückte einen Kuß darauf und hielt sie dann fest, sie auf eine sachte Weise immobilisierend. »Wir haben Euren guten Ruf inzwischen wieder hergestellt. Versucht Euch daran zu erinnern, daß Ihr jetzt wieder respektabel seid.«
Sie lachte und schüttelte den Kopf, so daß die Haare ihr nun in einer entfesselten seidigen Flut den Rücken hinunterrollten. Die Sinnlichkeit, die er schon in ihr ge-spürt hatte, als sie sich zum erstenmal sahen, war jetzt keine verborgene Kraft mehr, sondern eine sichtbare heiße Flamme. Sie war schließlich keine siebzehnjährige Jungfrau mehr, wie ihr Vater zu ihm gesagt hatte.
»Sehe ich etwa respektabel aus, Captain?« fragte sie mit leisem Spott.
Sein Blick wanderte verlangend über sie hin. Jedesmal, wenn sie sich geküßt hatten, hatte er etwas mehr über ihren Körper unter dem Musselinkleid erfahren. Seine rechte Hand, die ihre Brust liebkost hatte, rollte sich unwillkürlich zu einer Faust zusammen. »Ihr seht aus wie Lilith - diese Dämonin, die ausgeschickt wurde, um den Männern die Seele zu stehlen. Durchtrieben und unwiderstehlich.« Sein Mund wurde zu einer Kurve des Bedauerns. »Ich bin sicher, daß sie rote Haare hatte.«
Rebecca legte nun auf eine bewußt herausfordernde Weise den Kopf ein wenig schief. »Dann solltet Ihr wohl besser gehen, bevor ich Euch die Seele stehle.«
Er drückte noch einen Kuß auf ihre Hand, bevor er diese freigab. Als er zur Tür ging, sagte sie: »Nehmt das da lieber mit. Ihr werdet mehr davon brauchen«. Sie nahm den Krug mit Terpentinöl von ihrem Arbeitstisch und hielt ihm diesen hin.
Er nahm ihn ihr mit einem dankbaren Nicken ab. Doch bevor er das Atelier verließ, blieb er noch einmal auf dessen Schwelle stehen, um sie ein letztes Mal zu betrachten. Sie stand an ihren Arbeitstisch gelehnt, die Hände auf dessen Rand gestützt und musterte ihn mit schwülen Augen. Halb Künstlerin, halb Frau. Und dabei kam ihm plötzlich der entnervende Gedanke, daß sie bereits seine Seele gestohlen haben mochte.
Er drehte sich um, ging durch den Flur und stieg langsam die Treppe hinunter. Eines wußte er jetzt genau. Er hatte das Thema für sein nächstes Gemälde gefunden. Ein Sujet, das ihn reizte und ihn in die brennende Tiefe eines Flusses aus Feuer hinunterziehen konnte.
Noch lange, nachdem Kenneth sie verlassen hatte, stand Rebecca regungslos an ihren Arbeitstisch gelehnt. Sie hatte gewollt, daß er sie begehren sollte, und das war ihr auch gelungen. Sie traute weder der Liebe noch der Ehe und sah für Kenneth und sich keine gemeinsame Zukunft.
Er würde nicht ewig der Sekretär ihres Vaters bleiben.
Und sobald es ihm gelungen war, seinen Besitz zu retten, würde für sie im Leben eines begüterten Land-edelmannes kein Platz mehr sein.
Aber eine kleine Weile lang, bevor Kenneth Seaton House wieder verließ, konnte sie vielleicht von den ver-botenen Früchten der Leidenschaft naschen. Sie wollte ihn haben, und der Gedanke, daß sie dabei vielleicht ein Kind der Liebe empfangen könnte, schreckte sie nicht.
Tatsächlich würde sie es sogar begrüßen, jemand zu haben, den sie lieben konnte und der ihre Liebe erwidern würde.
Und selbst wenn sie kein Kind von ihm empfangen würde, würde sie wenigstens Erinnerungen haben, die sie nachts warmhalten konnten.
Kapitel 20
lYenneth verbrachte den Abend und fast die ganze Nacht damit, in seinem kleinen Studio mit verdünnten Ölfarben zu experimentieren und dabei ein kleines Vermögen an Kerzen zu verbrennen. Als er schließlich in sein Zimmer zurückkehrte, um ein paar Stunden zu schlafen, hatte er einen guten Anfang zu dem Bild gemacht, das in seinem Geist Gestalt annahm, als er mit Rebecca
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