Feuer der Leidenschaft
eine Waldfee.«
»Da scheint mir die Liebe aus Euch zu sprechen«, meinte Frazier nachdenklich. »Und das hört sich so an, als würde ihre Heirat für Sir Anthony ein großer Verlust sein.« Er blickte auf die Kaminuhr. »Höchste Zeit, daß ich mich wieder empfehle. Richtet Rebecca doch bitte von mir die besten Glückwünsche zu ihrer Verlobung aus.« Damit schlenderte er aus dem Büro.
Mit einem Achselzucken nahm Kenneth nun wieder seine Büroarbeit auf. Er hatte Rebecca gebeten, ihm heute nachmittag das Modellsitzen zu erlassen. Denn sobald er Sir Anthonys Kontobücher auf den letzten Stand gebracht haben würde, wollte er hinaufgehen in sein Studio und an seinem neuen Gemälde arbeiten.
Was scherten ihn da groß die boshaften Bemerkun- j gen aristokratischer Maler.
Als Rebecca Kenneth am Morgen ins Frühstückszimmer kommen sah, sah sie sofort, daß er mit dem Neuansatz, den er als Maler gemacht hatte, offenbar Erfolg hatte. Er vibrierte förmlich vor Aufregung. Da sie wußte, wie ihm zumute sein mußte, war sie natürlich gerne bereit, ihn heute von seiner Verpflichtung, ihr Modell sitzen zu müssen, zu entbinden.
Seine Abwesenheit bedeutete nicht, daß sie die Arbeit an seinem Porträt unterbrechen mußte. Sie benützte diesen Tag dazu, die Kulisse im Hintergrund mit kostbar aussehenden orientalischen Wandteppichen anzureichern, um die exotische Atmosphäre des Bildes zu verstärken.
Sie nahm sich dann auch Ghost noch ein-
mal vor und verwandelte ihn in eine überlebensgroße asiatische Jagdkatze mit langem Schweif und Pinselohren.
Sie mußte kichern, als sie das Ergebnis dieser Me-tamorphose betrachtete, und fragte sich dann, was Kenneth wohl von dem Gemälde halten würde, wenn sie es ihm schließlich/zeigte. Er würde sicherlich ein wenig rot werden vor Verlegenheit, wenn er sah, was sie aus ihm gemacht hatte. Aber das Gemälde war gut — die beste Arbeit, die sie bisher in ihrem Leben gemacht hatte.
Am Abend dinierte sie allein. Ihr Vater mußte irgendeine Funktion an der Royal Academy wahrnehmen, und Kenneth ließ sich zur festgelegten Zeit nicht im Speisezimmer blicken. Sie überlegte, ob sie nicht in den Speicher hinaufgehen sollte, um ihn daran zu erinnern, daß nach der geltenden Hausordnung sich jeder zum Din-ner im Speisezimmer einzufinden habe, entschied sich dann aber dagegen. Wenn Kenneth sich im Schaffensrausch seines ersten ihm zu gelingen scheinenden Gemäldes befand, sollte man ihn dabei nicht stören.
Nachdem sie gegessen hatte, kehrte sie in ihr Studio zurück, um jetzt an ihrem Bild von der stürzenden Frau zu arbeiten. Obwohl dieses Thema sie in emotionaler Hinsicht sehr mitnahm, fühlte sie sich dazu gedrängt, es möglichst bald fertigzustellen. Vielleicht würde ihr dann, wenn sie es gemalt hatte, eine dunkle, schwere Last von der Seele genommen.
Ihr Atelier und Kenneths Studio hatten eine Wand gemeinsam, hinter der sie zuweilen schwache Geräusche hörte. Doch kein einziges Mal das Klappen einer Tür. Der Mann mußte besessen sein von seinem Thema. Unsicher, ob sie sich seinetwegen Sorgen machte oder nur infermalisch neugierig war, beschloß sie schließlich, ihm etwas in sein Studio hinaufzubringen. Obwohl sein Geist offenbar jedes Zeitgefühl verloren hatte, würde sein Magen sicherlich eine Stärkung willkommen heißen.
Sie ging in die Küche hinunter, belegte einen großen Holzteller mit Roastbeef- und Käsescheiben, fügte einen halben Laib Brot, eine Flasche Wein und zwei Gläser hinzu und machte sich dann daran, mit ihrer Last die vier Treppen zum Speicher hinaufzusteigen.
Das Tablett auf einer Hand balancierend, klopfte sie an seine Studiotür. Nichts. Sich nun ernsthaft beunruhigt fühlend, drehte sie am Türknauf.
Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Das Licht von einem halben Dutzend Kerzen zeigte Kenneth, der an seiner Staffelei stand und dort mit äußerster Konzentration arbeitete. Da er und seine Leinwand sich im rechten Winkel zur Tür befanden, bemerkte er sie gar nicht, als sie ins Zimmer kam. Die Haare hingen ihm strähnig in die gefurchte Stirn, während er mit seiner breiten, kräftigen Hand einen kleinen Pinsel schwang, der in seiner Pranke so lächerlich winzig wirkte wie ein Zündholz.
Sie lächelte, als sie den Farbfleck auf seiner Wange sah.
Roter Ocker, wie es schien. Er hatte seine Stiefel ausgezogen - vermutlich, weil er die am anderen Ende des Speichers schlafenden Dienstboten nicht in ihrer Nachtruhe stören wollte. Er hatte
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