Feuer der Leidenschaft
nach einem kurzen prüfenden Blick auf das Gemälde. »Und damit man sieht, daß es sich um Messing handelt, müssen die Glanzlichter einen wärmeren Farbton bekommen.«
Sie hatte natürlich recht. Er verstand diese Dinge, hatte ähnliche Gegenstände schon mit Pastell- und Wasserfarben auf Karton gemalt. Und warum wollte ihm das nicht mit Ölfarben gelingen?
Als Rebecca seine verkniffene Miene sah, sagte sie: »Es braucht Zeit, Kenneth. Geht nicht so hart mit Euch selbst ins Gericht.«
Ihr Mitleid war das letzte, was ihm noch gefehlt hatte. In einem jähen Wutausbruch fuhr er mit dem Pinsel quer über die Leinwand hin, die schweren Ölfarben ineinander verschmierend. »So viel Zeit kann es auf der Welt gar nicht für mich geben, daß ich das noch lernen könnte«, sagte er verbittert.
Sie runzelte die Stirn. »Eure Arbeit ist doch gar nicht so schlecht.«
»Aber sie ist auch nicht gut. Sie wird niemals gut sein.«
Er warf die Palette und den Pinsel auf das Tischchen neben sich, drehte sich von ihr weg und marschierte in einem Anfall wütender Enttäuschung im Speicher auf und ab. Die Emotionen, die in diesem Moment in ihm brodelten, bildeten eine explosive Mischung, die zu gewaltig war, als daß ein menschlicher Körper sie noch zusammenzuhalten vermochte. Nur Rebeccas Gegenwart hielt Kenneth davon ab, alle Gegenstände in seiner Reichweite zu zerschmettern.
»Ich kann das nicht, Rebecca. Die Öle wollen nicht dorthin fließen, wo ich sie haben möchte. Es ist so, als versuchte ich eine Herde von Schweinen zu hüten. Selbst wenn ich weiß, was getan werden muß, bekomme ich es nicht hin.« Er drehte sich um und deutete auf das ruinierte Gemälde. »Das ist eine Verschwendung von guten Farben und teurer Leinwand. Es ist flach, fade, tot.
Himmel, ich hätte niemals versuchen sollen, diese Technik zu erlernen!«
Als er auf die Studiotür zumarschierte, hörte er sie mit energischer Stimme sagen: »Die Stunde ist noch nicht vorbei, Kenneth.«
»Doch, das ist sie, und es wird keine weiteren mehr geben.« Mühsam um Fassung ringend, stand er da, die Hand auf den Türknauf gelegt. »Tut mir leid, Rebecca. Es war sehr nett von Euch, daß Ihr mir das Angebot gemacht habt, mir das Malen in Öl beizubringen. Aber Ihr vergeudet damit nur Eure Zeit.«
»Kommt hierher zurück, Captain«, sagte sie, und diesmal war ihre Stimme so scharf wie ein Peitschenhieb. »Ich habe Euch den Gefallen getan, auf diesen verflixten Ball zu gehen, und nun werdet Ihr mir den Gefallen tun, nicht eher aufzugeben, bis wir wenigstens versucht haben, einen anderen Ansatz zu finden, der Eurer Arbeitsweise besser entspricht.«
Das war ein Argument, das er nicht so einfach ignorieren konnte. Er starrte die Studiotür an, und zwang sich dabei, langsam ein- und auszuatmen. Als er sich dann wieder einigermaßen gefangen und seine Emotionen auf einen sicheren Pegelstand gebracht hatte, kehrte er an seine Staffelei zurück. Doch statt dort seine Leinwand anzuschauen, sah er lieber zu Rebecca hin, die mit ihrem angespannten Gesichtsausdruck und ihren zerzausten Haaren einen weitaus besseren Anblick bot als diese Travestie eines Gemäldes. »Hattet Ihr auch solche Schwierigkeiten, als Ihr das Malen in Öl erlerntet?« fragte er mit gepreßter Stimme.
»Hatte ich. Und zuweilen habe ich sie noch immer.«
»Tatsächlich?« erwiderte er überrascht. »Ich dachte, daß Ihr mit solchen Problemen nicht mehr zu kämpfen hättet.«
»Ich glaube nicht, daß ein Künstler jemals ganz von ihnen verschont bleiben wird«, erwiderte sie trocken. »Weshalb, glaubt Ihr wohl, bekommt mein Vater manchmal in seinem Atelier einen Wutanfall und wirft mit Gegenständen um sich?«
Er grinste schief. »Ich muß gestehen, daß ich, seit Ihr mir Malunterricht gebt, ein viel größeres Verständnis für solche Ausbrüche habe als vorher.«
Sie balancierte auf dem Rand eines Hockers und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte, während sie laut nachdachte: »Ölfarben sind ein Medium und nicht ein Zweck an sich. Sie sind lediglich ein Material, das Ideen und Vorstellungen in sichtbare Bilder umsetzt. Das heißt, praktisch gesprochen, daß Ihr mit Ölfarben Eure Gefühle ausdrückt. Weil es Euch jedoch so sehr danach verlangt, diese Technik zu beherrschen, sind auch Eure Bemühungen dementsprechend groß. Ihr verkrampft Euch, werdet so starr wie eine Marmorstatue, und das übertragt Ihr dann auf die Leinwand. Obwohl die dem Gemälde zugrundeliegende Zeichnung gut ist,
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