Feuer der Leidenschaft
betrachten.
Aber es sind Bilder, die man gesehen haben muß. Ich hoffe, daß die Jury der Akademie so vernünftig ist, sie für die Ausstellung anzunehmen.«
»Selbst wenn sie es nicht täte, würde ich mit diesen Bildern zu Hampton gehen und ihn bitten, sie für die Iberische-Halbinsel-Serie in Kupfer zu stechen. Sie werden also auf jeden Fall gesehen.«
Ihr Blick ging wieder zu den Bildern hin, glitt rasch über die Pietä hinweg und verweilte auf der Hinrichtungsszene.
»Du hast das selbst gesehen.« Es war keine Frage.
»Es sind zwei meiner wichtigsten Bilder aus der Galerie meiner Alpträume.« Die Narbe auf seiner Wange färbte sich weiß. »Als Nachrichtenoffizier verbrachte ich viel Zeit damit, quer durch Spanien zu reiten, wobei ich jedoch immer meine Uniform trug, damit ich nicht als Spion erschossen werden würde, falls ich in die Hände der Franzosen fiel. Und das sollte sich auch auszahlen.«
Er deutete mit dem Kopf auf das Bild mit dem Hinrichtungskommando. »Zu meinen Aufgaben gehörte es damals, Kontakt zu Banden von Partisanen aufzunehmen, um mir von ihnen Informationen über feindliche Trup-penbewegungen zu besorgen. Am häufigsten arbeitete ich mit dieser Gruppe von Partisanen zusammen, und wurde mit dieser zusammen gefangen, als wir von französischen Truppen umzingelt wurden. Als britischer Offizier wurde ich von den Franzosen mit großem Respekt behandelt. Sie gaben mir Wein zu trinken und sagten, sie würden mich darum beneiden, daß man mich nach Paris schicken würde, falls man mich nicht gegen einen anderen Gefangenen austauschen könnte.« Er hielt inne, und seine Augen wurden so dunkel, daß sie fast schwarz aussahen.
»Und sie haben dich dann dazu gezwungen, zuzusehen, wie deine Freunde starben«, sagte sie leise.
»Man zwang mich nicht dazu. Aber wenn ich es nicht mit angesehen hätte, wäre das …«, er suchte nach Worten, »…
unehrenhaft von mir gewesen. Feige. Ich mußte Zeuge ihrer Courage und ihres Opfermuts werden.«
»Und seitdem haben dich diese Bilder in deinen Träumen immer wieder heimgesucht.« Sie deutete auf die beiden Gemälde. »Es ist ein nobles Denkmal, das du ihnen setzt, Kenneth.«
»Sie würden es vorgezogen haben, am Leben zu bleiben«, sagte er düster.
Widerstrebend wanderte ihr Blick nun zu der Pietä zurück. Sie hatte inzwischen die zu ihrem Selbstschutz errichteten Mauern wieder einigermaßen ausgebessert, so daß sie meinte, das Bild nun mit einem gewissen inneren Abstand betrachten zu können. Aber selbst jetzt konnte sie ihr Herz vor dem Kummer und der Trauer, die aus diesem Bild sprachen, nicht so verschließen, daß sie es leidenschaftslos zu betrachten vermochte. Vielleicht deswegen nicht, weil sie eine Frau war. Die fragte sich, wie es sein würde, wenn man ein Kind unter dem Herzen trug, es unter Schmerzen gebar, es mit Liebe großzog - und dann mitansehen mußte, wie es ermordet wurde. Selbst wenn sie das alles nur in ihrer Phantasie nachvollzog, war es fast nicht zu ertragen.
Mit gepreßter Stimme fragte sie: »Warst du mit diesem jungen Mann besonders eng befreundet?«
»Eduardo war Marias jüngster Bruder«, erwiderte er leise.
»Er war erst siebzehn, als er starb.«
Rebecca betrachtete das Gesicht des Jungen jetzt genauer und erkannte darin nun eine Ähnlichkeit mit einer Pastellskizze, die Kenneth von seiner Geliebten angefertigt hatte.
»Du sagtest, daß Maria von den Franzosen umgebracht wurde. Hat man sie auch erschossen?«
»Nein.« Er schloß die Augen, und sie sah, wie ein Schatten über sein Gesicht wanderte und seine Mundwinkel krampfhaft zuckten. »Eines Tages werde ich auch diese Szene malen. Vielleicht werde ich dann für immer von meinen Alpträumen befreit sein.« Er öffnete die Augen wieder. »Du bist es ja gewesen, die mir beibrachte, daß man sich möglicherweise von einem Kummer befreien könnte, indem man ihn in Bilder verwandelt. Das ist noch so eine Schuld, die ich niemals zurückzahlen kann.«
Sie drehte sich von ihm weg. Es waren zu viele Emotionen in diesem Raum, eine viel zu gefährliche Wärme auf seinem Gesicht.
»Du schuldest mir nichts, Kenneth. Ich habe auch von deiner Freundschaft profitiert.«
Vielleicht wollte auch er sich von dieser Intensität der Gefühle befreien, als er jetzt sagte: »Soviel ich weiß, müssen alle Bilder, die man in der Akademie ausstellen möchte, morgen bis spätestens Mitternacht eingereicht sein. Was passiert dann?«
»Das >Aufhänge-Komitee<, wie es auf eine
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