Feuer der Leidenschaft
Kraft! Was für ein Realismus!«
Die elegant gekleidete Lady an seinem Arm erschauerte.
»Ich finde sie scheußlich. Die Kunst sollte dem Schönen und nicht der Häßlichkeit gewidmet sein.« Sie deutete nun auf die zwei von Rebecca erschaffenen Gemälde.
»Diese beiden sind wirklich schön. Schau dir mal diese Verzückung auf dem Gesicht des Mädchens an, das sich für sein Volk opfert. Wie rührend.« Ihr Blick wanderte nun zu dem Korsaren weiter. »Und dieser Pirat. Er ist sicher skandalös, aber auch ungemein ausdrucksvoll.« Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Ich frage mich, wer wohl das Modell gewesen sein mag.«
Rebecca schlug die Hand vor den Mund, um ein Lachen zu ersticken, während sie mit der anderen Hand Kenneth mit sich fortzog. »Das war eine Kostprobe von dem, was wir nun alles über unsere Bilder zu hören bekommen.
Und Ihr, mein Lord Korsar, werdet, wenn Ihr am Morgen nach dem Eröffnungstag aufwacht, feststellen, daß Ihr ein berühmter Mann geworden seid.«
Kenneth zuckte zusammen. »Dann werde ich noch vor dem Frühstück meine Sachen packen und London so rasch wie möglich verlassen.«
Als sie wieder zu lachen anfing, meinte er vorwurfsvoll:
»Ich glaube, du genießt das alles viel zu sehr. Ich hätte wohl besser mein Lilith-Bild einschicken sollen.
Dann wären jetzt die Männer hinter dir her, und ich wäre vor den Nachstellungen der Frauen sicher, die sich angeblich um mich reißen werden.«
»Unsinn« erwiderte sie, züchtig die Wimpern über ihre Augen senkend. »Wenn du das Lilith-Bild ausgestellt hättest, würde dir kein Mann geglaubt haben, daß ich graue Maus dir zu dieser sinnlichen Dämonin Modell gestanden hätte.«
»Du unterschätzt deinen Charme gewaltig, Ginger.« Sein Blick ging nun über ihren Kopf hinweg zu etwas, das sich hinter ihrem Rücken befand. »Guten Tag, Fra-zier«, sagte er laut, das Stimmengewirr in ihrer Nähe übertönend.
»Oh, guten Tag, Kimball und Rebecca«, erwiderte Frazier im leutseligen Ton, als Rebecca sich umdrehte. »Anthony erzählte mir soeben, daß man Arbeiten von Euch beiden für die Ausstellung angenommen hätte.«
»Diese vier dort.« Rebecca deutete auf die Gemälde neben ihnen an der Wand. »Wir hatten das Glück, einen guten Platz für sie zugewiesen zu bekommen.«
»Da wird Anthony wohl seinen Einfluß geltend gemacht haben«, erwiderte Frazier und stand dann einen Moment lang, Rebeccas >Transfiguration< betrachtend, mit einem absolut regungslosen, fast versteinerten Gesicht da.
Dann wanderte sein Blick über die anderen Gemälde hin, um kurz auf Kenneths Pietä zu verweilen. »Interessant, obwohl ein bißchen zu modern für meinen Geschmack.
Wie schade, daß Ihr keine richtige Ausbildung genossen habt, Kimball. Ihr müßt Euch historischen Themen zuwenden, wenn Ihr die Malerei ernsthaft betreiben und auch als Künstler ernst genommen werden wollt. Das kann man ohne die Kenntnis der Antike und das Malen im >Großartigen Stil<,
wie ihn Reynolds so vorzüglich beschreibt, niemals erreichen.«
Rebecca wunderte’ sich nicht, daß Frazier sich mit \ keinem Wort zu ihren Bildern äußerte. Frazier gehörte zu jener Sorte von Malern, die glaubten, daß eine Frau auf künstlerischem Gebiet einem Mann niemals das Wasser reichen könnte.
Kenneth fragte höflich: »Habt Ihr in diesem Jahr auch ein Gemälde eingereicht?«
»Ja, aber ich habe es bisher noch nicht entdecken können.«
Fraziers Blick wanderte über die vom Boden bis zur Decke mit Gemälden behängten Wände hin. »Ich habe für die diesjährige Ausstellung ein Porträt von Leonidas bei den Thermopylen ausgesucht. Ich betrachte den Sieg der Griechen über die Perser als einen der fruchtbarsten Momente für die westliche Zivilisation.«
»Ein nobles Thema - da habt Ihr recht. Ich glaube, l ich habe ein Bild, das Leonidas darstellen könnte, dort drüben an der Wand gesehen. Nur bezweifle ich, daß es Eures sein könnte
- der Weise wegen, wie es aufgehängt ist.« Kenneth deutete auf ein Gemälde an der ihren Bildern gegenüberliegenden Wand, das dort ungefähr in der Mitte zwischen der
>Augenlinie< und * der Saaldecke hing. Wenngleich es nicht gänzlich unmöglich war, es vom Boden aus zu sehen, war jedoch der Platz, den es erhalten hatte, keineswegs ein guter.
Frazier sah zu dem Bild hin, auf das Kenneth deutete, und erstarrte. »Das ist mein Bild«, sagte er mit gepreßter Stimme.
Rebecca erschrak, als sie nun Fraziers Gesicht sah. Sie hatte
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