Feuer der Leidenschaft
Stimme.
»Die Liebe kann ein gebrochenes Vertrauen heilen. Die Liebe vermag eine Menge Dinge zu heilen. Wenn das nicht so wäre, würde die menschliche Rasse schon längst ausgestorben sein.«
Lady Bowden nahm den Arm ihrer Nichte. »Wir sollten uns jetzt ein Eis kaufen. Ich habe herausgefunden, daß Eis ein gutes Mittel gegen Enttäuschungen ist.«
Als Rebecca sich gehorsam von ihrer Tante fortführen ließ, fragte sie sich, ob sie wohl jemals deren Seelenruhe haben würde. Vermutlich nicht. Aber sie begrüßte es sehr, sich in ihrer Nähe aufhalten zu können.
Für Kenneth vergingen die beiden Tage, die Rebeccas Entdeckung seiner Doppelrolle folgten, geradezu höllisch langsam. Wie er es ihr versprochen hatte, ging er ihr tunlichst aus dem Weg. Und wenn eine Begegnung unvermeidlich war, schaute sie ihn kaum an. Sein eigenes Elend wurde noch verstärkt von den Seelenqualen, die er in ihr spürte. Aber er konnte nichts tun, um diese zu vermindern. Und so flüchtete er sich in die Arbeit, suchte sich mit den Zeichnungen, die er für die Kupferstich-Serie anfertigen mußte, von seinem Elend abzulenken.
Das einzige positive Ereignis in diesen beiden Tagen war Lord Bowdens Reaktion auf das fehlende Stück des Freundschaftsrings gewesen. Er hatte sofort verstanden, was diese Tatsache zu bedeuten hatte. Natürlich war er noch immer davon überzeugt, daß Sir Anthony der Mörder seiner Frau sein mußte, aber zumindest war er jetzt zufrieden, daß Kenneth mit seinen Ermittlungen vorankam.
Kenneth verbrachte den zweiten Abend damit, in seinem Studio Skizzen für die Iberische-Halbinsel-Serie anzufertigen, was den Vorteil hatte, daß er nicht mitanhören mußte, wie Rebecca sich in ihrem Zimmer auf das Zubettgehen vorbereitete. Vielleicht sollte er sogar hier oben in seinem Studio in diesem schmalen Bett schlafen. Am Abend zuvor hatte ihn das Wissen, daß sie nur ein paar Fuß von ihm entfernt im Bett lag, um die Nachtruhe gebracht.
Mitternacht war längst vorüber, als er endlich den Stift beiseite legte und beschloß, zu Bett zu gehen. Nachdem er seinen Skizzenblock in die Schublade seines Arbeitstisches verstaut hatte, trat er ans Fenster. Es hatte früher am Abend geregnet, und ein zunehmender Mond lugte hin und wieder durch eine Lücke zwischen den am Himmel dahinjagenden Wolken. Vielleicht sollte er ein Bild von einem nächtlichen Scharmützel malen, bei dem das Mondlicht sich kalt in den Gewehrläufen und dem Klingen niedersausender Säbel spiegelte. Damit konnte er der Szene etwas Gespenstisches ver-Sir Anthonys Stadtpalais war ein Eckhaus, und durch sein Speicherfenster konnte Kenneth unten einen Mann in der Seitenstraße sehen, der sich auf die Gartenmauer zubewegte. Kenneths Blick wurde schärfer, als der Mann dort anhielt. Sein Verhalten hatte etwas seltsam Zielstrebiges.
Dann machte der Mann plötzlich eine schleudernde Bewegung mit dem rechten Arm. Ein heller Funke flog auf das Haus zu und zog eine Leuchtspur hinter sich her, die in dem Augenblick endete, wo irgendwo unterhalb des Speicherfensters eine Scheibe zerbarst. Ein paar Sekunden später erschütterte eine Explosion das Gebäude.
»Gütiger Himmel!« rief Kenneth und rannte aus dem Studio.
Während er den schmalen Korridor hinunterlief, hämmerte er mit der Faust gegen die Türen der Dienst-botenquartiere. Dann raste er, immer drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe in den zweiten Stock hinunter. Als er dort anlangte, kamen gerade Sir Anthony und Rebecca in ihren Nachtgewändern aus ihren Schlafzimmern. Sir Anthony war von Lavinia begleitet, die offenbar hier die Nacht mit ihrem Liebhaber verbrachte.
»Mein Gott, was ist passiert?« keuchte Sir Anthony. »Es brennt!« rief Kenneth über die Schulter, während er die Treppe zum nächst tieferen Stockwerk hinunterlief. »In Eurem Studio, glaube ich. Sorgt bitte dafür, daß alle Dienstboten geweckt werden. Wir müssen vielleicht das Haus räumen!«
Lavinia eilte daraufhin in das Dachgeschoß hinauf, während Rebecca und ihr Vater Kenneth in das untere Stockwerk folgten. Beide waren nur wenige Schritte hinter ihm, als Kenneth die Tür von Sir Anthonys ele-gantem Studio aufriß.
Schwarzer Rauch quoll ihm entgegen. Ein großes Feuer, das man kaum noch unter Kontrolle bringen konnte, fauchte und zischte ihn an, während kleinere Brandherde gerade in den Teppichen und den Möbeln im Entstehen begriffen waren. Kenneth fluchte, als ein Krug mit Leinsamenöl explodierte und noch mehr brennende
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