Feuer der Leidenschaft
würde besser sein, wenn er ging.
Doch wenn jemand das Rätsel, das den Tod ihrer Mutter umgab, lösen konnte, dann Kenneth. An diesem Abend hatte er sich als ein Meister auf einem Gebiet des deduktiven Denkvermögens erwiesen, das ihr fremd war.
Und sie war es wohl auch Helens Andenken schuldig, daß sie ihn seine Ermittlungen zu Ende führen ließ. Während sie noch das Für und Wider gegeneinander abwog, sagte er leise: »Ich habe Euch zwar den wahren Grund, der mich hierherbrachte, verschwiegen; doch das ist meine einzige Täuschung gewesen. Alles, was ich Euch über meine Vergangenheit erzählt habe, entspricht den Tatsachen. Alles, was zwischen uns geschah, war ehrlich und aufrichtig. Alles.«
Ihr stockte der Atem, als der Schmerz sie wie eine Lanze zu durchbohren schien. Sie wollte ihm so gern glauben, doch er hatte ihre Gefühle zu sehr verletzt. Ihr Blick ging zu dem Teppich vor dem Kamin. Vor ein paar Stunden erst hatte sie dort ein ungetrübtes Glück genossen. Aber dann hatte er in dem gleichen aufrichtigen und glaubwürdigen Ton zu Bowden gesprochen wie zuvor und jetzt eben zu ihr.
»Ihr habt zu viel vor mir geheimgehalten, Captain«, erklärte sie ihm mit gepreßter Stimme. »Eure wahre Stellung im Leben, Euren Titel, Eure künstlerischen Fähigkeiten und der Auftrag, der Euch hierherbrachte.
Mein Vertrauen ist erschöpft.«
Die Narbe auf seiner Wange färbte sich weiß.
»Wenn Ihr mir gestattet, hierzubleiben, werde ich Euch, sooft und insofern das möglich ist, aus dem Weg gehen.«
»Ja, tut das.«
Das war eine Erlaubnis und zugleich das Signal zu einem vorläufigen Waffenstillstand. Kenneth nickte und verließ das Studio.
Als er gegangen war, legte sie sich auf das Sofa, ku-1
schelte sich dort mit dem Rücken an den persischen Seidenteppich und wickelte sich in ihren Schal ein wie j in einen Kokon. Zu viel war an diesem verhängisvol-len Abend passiert. Leidenschaft. Verrat, eine Beinahe-Vergewaltigung, die Möglichkeit eines Mordes. Sie : war so erschöpft und ausgelaugt, daß sie nicht einmal mehr die Kraft dazu hatte, ihr Schlafzimmer aufzusuchen.
Wo endete die Täuschung und wo begann die Wahrheit?
Kenneths Talent war echt. Seine militärische Vergangenheit und seine Schwester waren echt. Seine Freunde waren echt und loyal, und die Qualität dieser Leute sprach für ihn.
Doch das bewies noch lange nicht, daß er kein Mitgiftjäger war. Es besagte auch nicht, daß er mehr empfunden hätte als Wollust, als er mit ihr schlief. Es besagte nicht, daß sie ihm vertrauen konnte.
Mit weit geöffneten, dunklen Augen beobachtete Rebecca die verglühenden Kohlen, bis sie zu Asche zerfallen waren.
Erschöpft und müde entledigte sich Kenneth seiner Klei-‘
der und ging zu Bett, sobald er sein Zimmer erreicht hatte.
Zwar hatte sich der erste Sturm von Rebeccas Zorn inzwischen ein wenig gelegt, doch die Kluft zwischen ihnen war noch so katastrophal tief, daß er sie vielleicht nie mehr würde überbrücken können.
Sie war ein Geschöpf voller Widersprüche. Ihre unkonventionelle Erziehung hatte ihr einen falschen Anstrich von Welterfahrenheit und Abgeklärtheit gegeben.
Sie hatte so getan, als wäre die Jungfernschaft ein eher lästiges Gut, das man gerne los wurde, und sich darauf versteift, daß sie kein Interesse daran habe, zu heiraten.
Doch er argwöhnte, daß sie im Grunde ihres Herzens eine Romantikerin war, die sich nach dem Glauben an Liebe und Treue sehnte. Sonst würde sie die Seitensprünge ihrer Eltern nicht so sehr mißbilligt haben.
Sonst würde sie auch nicht bis zu ihrem siebenund-zwanzigsten Lebensjahr damit gewartet haben, einem Mann ihren Körper anzuvertrauen und zumindest einen kleinen Teil ihres Herzens. Sie hatte sich ihm allmählich geöffnet, und er hatte gehofft, daß sie, sobald er seine finanziellen Angelegenheiten geregelt haben würde, vielleicht auch dazu bereit wäre, ihm ihre Hand anzuvertrauen. Doch heute abend hatte sie sich wieder in ihr Schneckenhaus verkrochen, und das möglicherweise für immer.
Ironischerweise hatte dieser für ihn so verheerend verlaufende Abend endlich etwas Beachtenswertes für seinen Auftraggeber zutage gefördert. So klein und un-scheinbar dieses fehlende Zwischenstück eines Freundschaftsringes auch sein mochte, so hatte es doch aus vagen Vermutungen, daß Heien Seaton ermordet worden sein könnte, eine Gewißheit gemacht. Er konnte zwar noch keine Beweise für seine Überzeugung liefern, aber jetzt, wo er sich sicher
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