Feuer der Leidenschaft
Hintern, wenn ich in Schottland ankäme«, erwiderte sie gleichmütig.
Ihr Vater drehte mit einem wütenden Schnauben den Kopf zur Seite und blickte durch das Wagenfenster auf die unspektakulären grünen Felder hinaus, an denen sie gerade vorbeikamen. Mindestens eine Weile später geschah es dann, daß Lavinia mit kleinlauter Stimme sagte: »Ich habe Rebecca nicht dazu angestiftet, Anthony.«
»Ich weiß«, gab er ihr gereizt zur Antwort. »Du würdest dich mit meinem Egoismus bis in alle Ewigkeit abfinden.«
Als wären sie beide allein in der Kutsche, sagte Lavinia leise: »Natürlich würde ich das. Denn ich habe dich schon immer geliebt, mußt du wissen.«
»Ich weiß. Denn ich habe dich auch schon immer geliebt, seit du mit siebzehn in mein Studio gekommen bist und mir für die reizendste lsabel, die ich jemals in meinem Leben gemalt habe, Modell gestanden hast.« Er schluckte schwer.
»Aber ich verdiene die Liebe einer so großzügigen und selbstlosen Frau nicht. Ich habe auch Heien geliebt, bin ihr jedoch ein schlechter Ehemann gewesen.«
»Du bist der Ehemann gewesen, den sie haben wollte.
Und du bist der Ehemann, den ich haben möchte.« Lavi-nias Stimme nahm nun einen versonnenen Ton an. »Ich habe die Zügellosigkeit gewissermaßen zu meinem Beruf gemacht und über die Jahre hin mit vielen Männern geschlafen, weil ich nicht mit dem Mann ins Bett gehen konnte, den ich haben wollte. Wir sind beide nicht perfekt, Anthony. Es ist wohl besser so.«
Sie streckte ihm die Hand hin, um die sich nun seine eigene schloß wie um einen Rettungsring. Rebecca drehte ihren Kopf diskret zur Seite, die Geräusche ignorierend, als Lavinia nun ganz dicht an ihren Vater heranrückte und die beiden leise miteinander zu murmeln begannen. Das hörte sich so an, als würden sie nun alle noch offenen Fragen auf eine sie beide zufriedenstellende Weise regeln.
Die stets fröhliche Lavinia würde ihm eine problemlosere Partnerin sein als Heien mit ihren wechselnden Launen.
Vielleicht, überlegte Rebecca, hatten ihre Eltern nur deswegen immer Affären mit anderen Männern und Frauen gehabt, weil sie beide so überaus gefühlsbetonte Menschen waren, daß sie zuweilen Erholungspausen von ihrer Ehe gebraucht hatten. Heien hatte ihren Ruhepol in dem stetigen George Hampton gefunden, und ihr Vater würde nun bei Lavinia seinen Frieden finden. Es würde eine andere Liebe sein als jene, die er in seiner stürmischen Verbindung mit Heien geteilt hatte, aber deshalb nicht weniger echt.
Sie freute sich für die beiden. Freute sich ehrlich für sie.
Doch als sie auf die grünen Felder hinausblickte, wurde ihr diese innere Leere nun fast zur Qual. Das kurze Glück, das sie mit Kenneth genossen hatte, kam ihr wie eine Fata Morgana vor - etwas, das sie in ihrem Leben nie mehr sehen würde.
Kenneth verbrachte den Tag nach der Abreise der Sea-tons mit der Suche nach Zimmerleuten, Gipsern und Malern.
Zum Glück konnte ihm ein Freund aus seiner Armeezeit, der nun für den Herzog von Candover arbeitete, die Adressen von zuverlässigen Handwerkern vermitteln. Kenneth stattete auch seinem Anwalt einen Besuch ab, um ihn von Hermiones mutmaßlicher Heiratsabsicht zu informieren. Da der Anwalt Lady Kimball von ganzem Herzen haßte, konnte Kenneth sich darauf verlassen, daß dieser alles tun würde, um die Familieninteressen der Wildings gegen Hermione zu verteidigen.
Nach dem Dinner verfaßte Kenneth dann eine Liste mit allen notwendigen Materialien und Spezifikationen für die Instandsetzung des Hauses, die Minton als Leitfaden bei der Überwachung der Reparaturarbeiten dienen sollte. Der Butler hatte sich inzwischen als sehr fähiger Manager erwiesen. Sein Nachfolger als Sir Anthonys Sekretär würde sich lange nicht so intensiv mit Haushaltsangelegenheiten befassen müssen wie er.
Nachdem er die Anweisungen für den Butler nieder-geschrieben hatte, schlug er den nächsten Band von Heien Seatons Tagebüchern auf. Je näher diese der Gegenwart kamen, um so sorgfältiger suchte er in ihnen nach Hinweisen auf einen geheimen Feind der Familie. Sie erwähnte in ihren Journalen Vorfälle von Eifersucht, Verleumdungen und politischen Querelen. Doch er hatte bei der Lektüre dieser Anekdoten nicht den Eindruck, daß davon eine Gefahr für die Familie ausgegangen wäre.
Dennoch genoß er seine Lektüre. Heien war eine ausgezeichnete Schriftstellerin gewesen, überaus amüsant und mit der Gabe, Anmaßungen mit Witz und Ironie aufs Korn zu nehmen.
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