Feuer der Leidenschaft
Kleiderschrank aufbewahrte, und schob diese dann in die Innentasche seines Rocks. Frazier gehörte nicht zu der Sorte von Männern, die mit fairen Mitteln kämpften, wenn sich das vermeiden ließ.
Ein schneller Fußgänger brauchte nicht länger als eine Viertelstunde bis zu Fraziers Haus. Dort brannten keine Lichter. Aber Kenneth fand das nicht besorgniserregend, bis er die Vortreppe hinaufgestiegen war und nach dem Türklopfer greifen wollte.
Aber da war kein Türklopfer mehr.
Er hielt den Atem an, und die Vorahnungen und Ängste, gegen die er nun seit Tagen angekämpft hatte, brachen jetzt in voller Stärke wieder über ihn herein. Das Entfernen eines Türklopfers war die übliche Methode, einem Besucher anzuzeigen, daß der Bewohner des Hauses verreist war.
Der Bastard hatte die Stadt verlassen.
Kapitel 31
Rebecca war froh, daß sie Ravensbeck erst nach Einbruch der Dunkelheit erreichten; denn ihre Müdigkeit sorgte nun dafür, daß der Schmerz, den sie bei der Rückkehr in ihr Sommerhaus empfand, nicht übermächtig werden konnte.
Zum Glück hatte Kenneth ihnen auch noch rechtzeitig einen Boten vorausgeschickt, um dem Gesinde ihre Ankunft anzuzeigen, so daß die Schlafzimmer bereits für sie vorbereitet waren und auch eine heiße Mahlzeit.
Nachdem die Reisenden gegessen hatten, begaben sie sich sogleich zu Bett.
Es war ein tiefer, aber kurzer Schlaf der Erschöpfung, aus dem Rebecca schon bei Tagesanbruch wieder erwachte. Sie glitt aus dem Bett und trat ans Fenster. Soweit sie zurückdenken konnte, hatte sie jeden Sommer hier im Seenbezirk verbracht, und trotzdem war für sie nach einer monatelangen Abwesenheit der erste Blick aus dem Fenster immer wieder ein Erlebnis. Nebel lag über den Tälern, aus denen nur hier und dort die gezackten Gipfel steiler Berge wie Inseln aus einem wolkenverhangenen Meer herausragten.
Obwohl sie im Grunde ein Stadtkind war, das den größten Teil des Jahres über in London lebte, fühlte sie sich auf dem Land am wohlsten. Weniger Leute, weniger Probleme, sauberere Luft und weniger Lärm. Da kam ihr plötzlich der Gedanke, daß es für sie doch keinen Grund gab, nicht das ganze Jahr hindurch in Ravensbeck wohnen zu bleiben.
Sie überlegte das Für und Wider einer solchen Entscheidung. Ihr Vater und Lavinia würden das Londoner Haus für sich allein haben, wie es sich für ein frischver-mähltes Ehepaar auch gehörte. Zudem würde sie sich hier nicht über einen Mangel an Themen zu beklagen haben. Sie konnte doch das Malen von Landschaften des Seenbezirks zu ihrem Lebenswerk machen, und die Leute, die diese bewohnten, hatten wundervolle, wettergegerbte Gesichter.
Diese zu malen war eine ebenso interessante Aufgabe wie die Porträts, die man ihr in London in Auftrag geben würde.
Was ihr jedoch an dieser Idee besonders gut gefiel, war der Umstand, daß sie Kenneth hier nicht würde sehen müssen.
Schließlich war Kenneth auf dem besten Weg dazu, ein renommierter Künstler zu werden. Und wenn sie in London wohnen blieb, würde es sich kaum vermeiden lassen, daß sich ihre Wege immer wieder kreuzten.
Mit einem nun nicht mehr so ganz beschwerten Herzen ging sie hinunter zu einem aus pochierten Eiern, geröstetem Brot und starkem Tee bestehenden Frühstück. Ihr Vater und Lavinia waren noch nicht aus ihrem Schlafzimmer heruntergekommen. Sie war froh darüber, denn sie wollte jetzt die erste ihrer beiden geheimen Pilgerreisen antreten.
Nachdem sie einen Strauß aus Frühlingsblumen zusammengestellt hatte, ritt sie auf einem Pony in das Dorf hinunter. Dort band sie das Tier in der Nähe der Kirche an und ging dann zum Grab ihrer Mutter. Das Gras hatte es in den letzten neun Monaten mit einer schönen grünen Grasdecke überzogen. Der Grabstein,
den ihr Vater für ihre Mutter entworfen hatte, war l inzwischen ebenfalls angebracht worden. Heien Cosgrove ‘{
Seaton. 1768-1816. Geliebte Ehefrau, Mutter und Muse i!
stand darauf.
Als sie die Worte las, gaben ihr diese einen so heftigen Stich ins Herz, daß sie den Schmerz kaum ertragen konnte. Sie legte die Blumen auf das Grab und l stand dann lange mit gesenktem Kopf davor, in der f Hoffnung, daß sie die Gegenwart ihrer Mutter spüren würde. Doch sie empfand nichts anderes als ihre Trau- l er.
»Keine Melancholie mehr, Mama«, flüsterte sie. Dann drehte sie sich um und ging davon.
Sobald sie wieder in die Sichtweite ihres Ponys ge- i kommen war, sah sie dort zu ihrer Überraschung Lavi- ‘ nia mit einem anderen von
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