Feuer der Leidenschaft
werden sollte, lernte ich einen jungen Vicomte kennen, der meinen Vater wegen eines Porträts aufsuchte. Ich hatte seinen Flirt mit mir für ein ernsthaftes Interesse an meiner Person gehalten und mich damit einverstanden erklärt, mit ihm in den Park auszureiten. Er wurde zudringlich, als wir abstiegen, um ein Stück zu Fuß zu gehen. Und als ich mich wehrte, sagte er, da ich bei Künstlern aufgewachsen sei, hätte ich kein Recht dazu, die Züchtige zu spielen.«
»Ich bin sicher, daß Ihr diese Bemerkung nicht kom-mentarlos hingenommen habt.«
»Ich stieß ihn in einen Springbrunnen und verließ ihn, wütend auf ihn und meinen Vater, dessen Lebensweise mich zur Zielscheibe solcher Beleidigungen gemacht hatte. Vielleicht war das nicht sehr logisch von mir, aber ich war jung und verletzt.«
Eine Ader an ihrem Hals begann zu pochen. »Dann wurde ich der Gesellschaft vorgestellt und lernte Fre-derick kennen. Er seufzte, verfaßte Gedichte und sagte, daß er mich lieben würde. Seine Worte waren Balsam für mein verwundetes Herz. Meine Eltern mochten ihn nicht, und vermutlich wäre die Sache auch im Sande verlaufen, wenn ich nicht zu jener Zeit erfahren hätte, daß Mutter mit Onkel George ein Verhältnis hatte. Obwohl ich von den Affären meines Vaters wußte, war es ein Schock für mich, zu erfahren, daß meine Mutter nicht besser war als er. Drei Tage später brannte ich von zu Hause durch.« Sie lächelte schief. »Ich erkannte schon sehr rasch, daß meine Eltern recht hatten und eine Ehe mit Frederick eine Katastrophe gewesen wäre. Zum Glück fand ich das heraus, ehe ich mich ein Leben lang an ihn band.«
Während sich Kenneth im stillen dachte, daß die älteren Seatons besser ihrer Tochter weniger Freiheiten gelassen und sich dafür mehr um sie gekümmert hätten, sagte er:
»Ich nehme an, daß der Vorteil, liberale Eltern zu haben, in der Bereitschaft bestand, Euch trotz des Skandals wieder in ihrem Haus aufzunehmen.«
Sie nickte. »Sie warfen mir nicht meinen Mangel an Moral, sondern an Urteilsvermögen vor. Mein Vater sagte, er wäre froh, daß ich vernünftig genug gewesen sei, nicht so einen faulen Fisch zu heiraten. Und meine Mutter meinte, sie sei überzeugt, daß ich so einen Fehler nicht noch einmal machen würde. Damit war die Sache für sie erledigt.«
»Und sie hatte mit ihrer Prophezeiung recht behalten - Ihr habt diesen Fehler nicht wiederholt.«
»Und werde das auch in Zukunft nicht tun«, erklärte sie in einem Ton, der ihm sagte, daß das Thema für sie damit beendet sei. »Ich bin eigentlich nur hierhergekommen, um Euch zu fragen, was aus der Leinwandrolle geworden ist, die ich bestellt habe. Meine Lagerbestände sind fast erschöpft.«
»Ich habe gestern den Lieferanten noch einmal schriftlich daran erinnert und fand heute morgen in der Post einen Brief von ihm vor, in dem er sich für die Verzögerung entschuldigt und verspricht, übermorgen zu liefern. Gibt es noch andere geschäftliche Dinge, die ich für Euch erledigen soll?«
»Oh? Nein. Das war alles.« Sie schickte sich an, das Büro wieder zu verlassen.
»Soll die Sitzung wie geplant nun heute nachmittag stattfinden, oder habt Ihr Euch so sehr über mich geärgert, daß sie ins Wasser fällt?«
Sie warf ihm einen ironischen Blick zu. »Keineswegs. Von solchen lüsternen Damen wie Lavinia attackiert zu werden, gehört doch zu der besten Tradition Byronscher Helden.
Genau das Richtige für einen Korsaren.«
Während er diese Bemerkung mit einem Kichern quittierte, ging sie aus dem Zimmer und machte die Tür hinter sich zu.
Aber als er jetzt daran dachte, was er in der letzten halben Stunde erfahren hatte, verging ihm das Lachen. So, wie Lavinia ihr Heien Seaton beschrieben hatte, würde er jetzt sogar mit einer ganzen Reihe potentieller Mörder rechnen müssen. Sir Anthonys stillschweigende Duldung ihrer zahlreichen Affären konnte vielleicht nur eine Maske gewesen sein, hinter der es
bei ihm vor Wut brodelte. Vielleicht hatte sich auch diese geheimnisvolle Mätresse danach gesehnt, den Maler für sich allein zu haben. Oder Heien hatte beschlossen, George Hampton den Laufpaß zu geben, und er hatte sie in einem Anfall von wütender Eifersucht und Enttäuschung umgebracht. Oder es mochte sogar noch andere, unbekannte Liebhaber gegeben haben, die ein Mordmotiv hatten.
Leidenschaft und Gewinnsucht waren die wahrschein-lichsten Gründe für einen Mord. Kenneth seufzte fru-striert. Je länger er in dem Haus der Seatons
Weitere Kostenlose Bücher