Feuer der Leidenschaft
schlug die Augen nieder. Nach ein paar langen Sekunden des Schweigens sagte er: »Mein Vater haßte mein Interesse für die Kunst und versuchte, es aus mir herauszuprügeln. Er war der Meinung, daß Zeichnen und Malen eine unwürdige Beschäftigung für seinen einzigen Sohn sei.«
»Aber ihr habt es trotzdem nicht aufgegeben?«
»Ich konnte es nicht«, sagte er schlicht. »Es war wie ein Feuer, das in mir brannte. In Bildern konnte ich Dinge sagen, die ich mit Worten niemals hätte ausdrük-ken können. Und so lernte ich, alles, was ich zeichnete oder malte, zu verstecken oder zu vernichten. So zu tun, als würde mir das alles nichts bedeuten.«
»Wie gräßlich für Euch.« Kein Wunder, daß er so aufgeregt war, als er sah, daß sie seine Zeichnungen entdeckt hatte. Dem Verlangen widerstehend, ihm die Schatten von den Augen zu küssen, strich sie ihm mit dem Handrücken über die Wange und trat dann einen Schritt von ihm zurück. »Ich wäre verrückt geworden, wenn meine Eltern versucht hätten, mich vom Malen abzuhalten.«
»Statt dessen hattet Ihr das große Glück, bei einem der größten Maler Englands aufzuwachsen.« Er lächelte schief. »Als ich noch ein Junge war, hatte ich den geheimen Traum, an den Royal Academy Schools zu studieren, um den Beruf eines Malers zu ergreifen. Doch dafür ist es jetzt zu spät. Ich wurde Soldat, also das genaue Gegenteil eines Künstlers.« Er blickte zu seiner Zeichenmappe hin. »Und in diesem Haus, wo ich von so vielen herrlichen Gemälden umgeben bin, verlangt es mich fast danach, die Ergebnisse meiner eigenen schwachen Bemühungen zu verbrennen.«
»Ihr seid ein Künstler, Kenneth«, sagte sie nun mit Nachdruck. »Ihr zeichnet bereits besser als die Hälfte aller in London lebenden professionellen Maler. Wenn ihr Euch auf Euer Talent konzentriert und daran arbeitet, könntet Ihr als Künstler Überragendes leisten.«
»Ich habe ein gewisses Talent zum Zeichnen und kann auch recht brauchbare Aquarelle anfertigen«, räumte er ein. »Aber alle jungen Ladies erlernen diese Fertigkeiten und auch nicht wenige junge Gentlemen. Ich bin jetzt dreiunddreißig. Die Zeit, wo ich hätte lernen können, ein wirklicher Künstler zu sein, ist vertan.«
Neugierig fragte sie ihn jetzt: »Was versteht Ihr denn unter einem Künstler?«
»Jemand, der nicht nur ein genaues Abbild von den Dingen herstellen kann, die er zeichnet oder malt, sondern auch etwas Neues oder Verborgenes in diesen enthüllt«, sagte er bedächtig. »Dieses Bild von Gray Ghost dort ist hübsch und amüsant und mit großer Liebe gemalt.
Und trotzdem enthüllt es auch das Raubtier in ihm - die Wildheit, die im Herzen jedes plumpen, vor dem warmen Kaminfeuer liegenden Katers schlummert. Desgleichen habt Ihr auf Eurem Gemälde von Diana nicht nur die ihr verliehene Macht und den Stolz auf ihre Geschicklichkeit dargestellt, sondern auch die Einsamkeit, die das Los eines jeden Menschen ist, der einer Berufung folgen muß.
Dies Verlangen, doch so sein zu können wie andere Frauen auch. Eure Diana erinnert mich ein bißchen an Euch selbst.«
Zum Henker mit ihm! Es war ja ganz in Ordnung, wenn er sich als scharfsinniger und einfühlsamer Beobachter von Gemälden erwies, die Katzen darstellten, aber nicht, was sie selbst anlangte. Seine Bemerkungen über Diana ignorierend, sagte sie: »Ich malte Gray Ghost lediglich so, wie ich ihn gesehen habe.«
»Und Ihr habt ihn auf diese Weise gesehen, weil Ihr die Beobachtungsgabe eines Künstlers besitzt.« Er studierte nun das Gemälde etwas genauer. »Eure einzigartige, individuelle Art, die Welt zu betrachten, fließt in alles ein, was Ihr darstellt. Ich denke, daß ich Euch in jedem Bild erkennen würde, das Ihr mit Euren Händen erschaffen habt.«
Der Gedanke, daß er sie in all ihren Arbeiten wiederfinden würde, war so intim wie ein Kuß. Deshalb zog sie es vor, die Diskussion auf ihn zu beschränken und nicht länger auf ihre Person auszudehnen, und holte die Skizzen wieder aus seiner Mappe heraiis. »Ihr habt das gleiche Vermögen«, sagte sie, auf eine Pastellzeichnung von einer dunkelhaarigen spanischen Schönheit deutend. »Die Frau ist nicht nur reizend, sondern auch umgetrie-ben. Besessen von einem Sendungsbewußtsein. Sogar gefährlich.«
Als sie die jähe Verhärtung der Züge in Kenneths Gesicht bemerkte, bestätigte ihr das die Beschreibung dieser Frau.
Sie nahm nun wieder die Zeichnung von dem Soldaten zur Hand, der von einer tödlichen Kugel getroffen
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