Feuer der Leidenschaft
Benehmen von damals vergessen?«
»Nicht vergessen, doch ich habe dessen Folgen wohl nie so richtig bedacht. Solche Dinge habe ich stets deiner Mutter überlassen. Vermutlich nahm ich an, daß du lieber zu Hause bleiben wolltest, als irgendwelche Veranstaltungen zu besuchen, nachdem sich die Aufregung über diesen Skandal ein wenig gelegt hatte.« Seine Lippen zuckten. »Ich weiß, daß ich kein besonders guter Vater bin, aber es ist peinlich, daran erinnert zu werden.«
Gerührt erwiderte sie: »Ihr seid genau der richtige Vater für mich. Wer hätte mir denn sonst beibringen können, wie man Künstler wird, und mir die Freiheiten gegeben, zu tun und zu lassen, was mir gefällt?«
»Du bist schon als Künstler geboren worden - das habe ich dir nicht beigebracht.« Er seufzte. »Ihr beide, du und Heien, habt es mir leicht gemacht, egoistisch zu sein. Und es gibt eine sehr feine Trennungslinie zwischen Freiheit und Vernachlässigung, die ich zu oft überschritten habe.
Ich hätte besser auf dich aufpassen sollen, dir sagen müssen, was dir erlaubt ist und was nicht.«
»Ihr werdet doch jetzt nicht damit anfangen wollen, mir Vorschriften zu machen«, sagte sie erschrocken. »Ich bin zu alt dafür, mich jetzt noch zum Gehorsam erziehen zu lassen.«
Er lächelte ein wenig traurig. »Dazu besteht kein Anlaß.
Du hast dich zu einem recht guten Menschen entwickelt, was du mir wohl am wenigsten zu verdanken hast.
»Macht Euch jetzt bitte meinetwegen keine Vorwürfe, Vater«, sagte sie im energischen Ton. »Wenn das Gesellschaftsleben wichtig für mich wäre, hätte ich schon vor Jahren Mittel und Wege gefunden, um daran teilnehmen zu können. Ich denke nur jetzt daran, weil es Kenneths Wunsch ist, mich wieder in die Gesellschaft einzuführen. Ich habe aber, ehrlich gesagt, gar kein Verlangen danach.«
»Mach das, was Kenneth dir empfiehlt«, befahl ihr Vater.
»Kraft deiner Geburt hast du das Recht dazu, in den besten Kreisen zu verkehren. Das ist ein Privileg, das man nicht ungenützt lassen sollte. Ich werde Kenneth fragen, ob ich ihm bei seinen Bemühungen behilf-lieh sein soll. Aber ich kann mir vorstellen, daß er das schon alles im Griff hat. Er ist der beste Sekretär, den ich je hatte.«
Sie war sich nicht sicher, ob ihr die Antwort ihres Vaters gefiel. Insgeheim hatte sie gehofft, er würde zu ihr sagen, sie sollte ihre Zeit nicht mit dem Besuch von Empfängen und Bällen vergeuden. War es Schüchternheit oder Angst, die ihr die Entscheidung so schwer machten?
Es war Angst. Die dunkle Seite einer künstlerischen Beobachtungsgabe ist eine schmerzhafte Empfindlichkeit.
Ein Einsiedlerdasein war für sie leichter zu ertragen als ein Ausflug in eine ihr nicht wohlgesonnene Welt. Aber als Einsiedlerin lief sie Gefahr, sowohl in persönlicher wie kreativer Hinsicht zu verkümmern. Es wäre töricht von ihr, diese Chance, ihren Horizont zu erweitern, ungenützt zu lassen.
Nachdem sie zu einem Entschluß gekommen war, ging Rebecca zu einem anderen Gemälde, an dem ihr Vater gerade arbeitete, und schlug das Tuch zurück, mit dem es abgedeckt war. »Das ist also das Porträt der Zwillinge«, sagte sie. »Auf gutem Weg, wie ich sehe.«
»Was daran reizt, ist, den Unterschied in der Persönlichkeit zweier Frauen zu zeigen, die sich äußerlich zum Verwechseln ähnlich sehen«, erklärte ihr Vater, der nun neben sie trat. »Lady Strathmore ist die Dame auf der rechten, und Lady Markland die auf der linken Seite.
Aber in welcher Hinsicht unterscheidet sich ihr Temperament?«
Rebecca betrachtete nun das Gemälde genauer. »Lady Markland ist kontaktfreudiger. Eine Frau, die mehr aus sich herausgeht. Man sieht es an dem lebhaften Ausdruck ihrer Augen. Lady Strathmore ist stiller, nachdenklicher.
Und auch ein bißchen scheu.«
»Gut, gut«, murmelte ihr Vater. »Dann ist es mir also gelungen, das zu vermitteln.«
»Aber du solltest noch etwas an der männlichen Figur mit den dunklen Haaren arbeiten.« Sie deutete auf das Gemälde. »Die Proportion des linken Beins stimmt nicht ganz.«
»Hm, du hast recht. Ich werde das bei der nächsten Sitzung korrigieren.« Er deckte das Gemälde wieder zu.
»Und wie kommst du mit deinem Porträt von Kenneth voran?«
»Recht gut.« Sie wollte nun etwas ausführlicher werden, begnügte sich dann aber mit dem Zusatz: »Er hat ein so interessantes Gesicht.«
Auch ihr Vater hatte die Beobachtungsgabe eines Künstlers. Sie wollte ihm nicht die Chance geben, Dinge zu sehen, die sie
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