Feuer der Lust - Page, S: Feuer der Lust
konnte. Doch dann, eines Abends, eilte Prudence von einem Stelldichein nach Hause und lief mir über den Weg.“
Die Erinnerung an jene Nacht stieg vor seinem inneren Auge auf: Wie Prudence vor Entsetzen erstarrte, als sie ihn sah, wie sie verzweifelt ihren Kopf abwandte.
Er hatte sie am Arm festgehalten, als sie versuchte, an ihm vorbeizulaufen, weil er aus Erfahrung wusste, dass sie sich vor ihm verstecken wollte. In ihrem hübschen Gesicht waren an ihrem rechten Auge und auf ihrer Wange Blutergüsse zu sehen, schreckliche blaue, purpurfarbene und gelbgrüne Flecke. Aus einem Schnitt in ihrer Lippe war Blut geflossen und hatte dunkle Streifen auf ihrer blassen Haut hinterlassen.
Sein Magen hatte sich zusammengezogen. Wie bei seiner Mutter . Er hatte sie kraftlos auf ihrem Bett liegend vorgefunden, ihr teures, spitzenbesetztes Unterkleid in Fetzen um sich herum. Er war vierzehn gewesen, mit gestohlenem Ale im Blut. Sie war tot; er hatte sofort gesehen, dass sie tot war.
Als er ihren Arm berührte, spürte er das kalte Fleisch und zuckte entsetzt zurück, um gleich darauf seinen von Ale durchtränkten Mageninhalt auf den Fußboden zu würgen.
Der Körper seiner Mutter war von Blutergüssen übersät. Nie zuvor hatte er jemanden mit so vielen Anzeichen erlittener Brutalität gesehen. Einige der Male – die auf ihrem leicht gerundeten Bauch – zeigten die Umrisse einer Stiefelsohle.
„Hat jemand deine Mutter getötet?“ In Grace’ Stimme klang Entsetzen mit.
Nun glitt er in die Arme des Laudanums, zu geschwächt von seinen Gefühlen, um sich noch länger gegen den glückseligen Frieden zu wehren. „Ja“, krächzte er.
„Wusstest du – wusstest du, wer es getan hat?“
„Schließlich habe ich ihn gefunden. Er war der reiche Kerl, den ich auf der Great North Road ausgeraubt habe. In jener Nacht hatte ich vor, ihn zu erschießen, die Rolle des Straßenräubers auszunutzen, um ihm den Kopf wegzublasen …“ Er stockte. „Zur Hölle, tut mir leid, Süße“, murmelte er.
„Es ist in Ordnung, Devlin. Hast du ihn erschossen? Er hat es verdient. War er wie Lord Wesley aus adliger Familie und deshalb der Meinung, er müsste sich nicht an die Gesetze halten?“
„Ich tat es nicht. Letztendlich war ich nicht in der Lage, ihn kaltblütig umzubringen.“ Nach all den Jahren voller Schmerz und Schuldgefühle, weil er nicht in der Lage gewesen war, seine Mutter zu beschützen, war er nicht fähig gewesen, den Abzug zu betätigen. Nach all den Tagen, an denen er gemeint hatte, den nächsten Sonnenaufgang nicht mehr ertragen zu können, hatte er festgestellt, dass er den Mann, der ihm die Hölle auf Erden bereitet hatte, nicht töten konnte.
„Was ist geschehen?“, drang Grace in ihn.
„Er suchte und fand mich, entschlossen, Vergeltung zu üben. Monatelang hatte ihn innerlich das Bedürfnis zerfressen, mich zu zerstören, weil ich ihn gedemütigt hatte. Er griff mich aus dem Hinterhalt an, als ich ein Gasthaus verließ, er wurde begleitet von einem halben Dutzend mit Schlagstöcken bewaffneter Männer. Ich sah das Ungeheuer, das meine Mutter getötet hatte. Auf irgendeine Weise musste auch sie ihn gedemütigt haben; vielleicht hat sie die Affäre beendet, weil sie Angst vor ihm hatte, woraufhin er sie dann umbrachte.“
„Aber wie bist du ihm entkommen?“
„Ganz einfach, Liebste. Ich bot seinen Männern Geld an, damit sie ins Gasthaus gehen und trinken konnten. In seiner Wut hob er einen der Schlagstöcke auf und ging auf mich los. Um mich zu verteidigen, blieb mir nichts anderes übrig, als ihm das Genick zu brechen.“
An den Rändern seines Gesichtsfeldes waberte Nebel, und er konnte kaum noch die Lider offenhalten. „Hasst du mich jetzt, Grace? Hältst du mich für einen Mörder?“ Er fühlte sich so verletzbar, dass seine Stimme zitterte.
„Du hast Prudence’ Verehrer zum Duell gefordert, weil du glaubtest, er würde sie schlagen, so wie dieser furchtbare Mann es mit deiner Mutter gemacht hatte. Du tatest es, um Prudence zu beschützen.“
„Aber sie weigerte sich, mir zuzuhören. Sie glaubte, die Wut und Gewalttätigkeit ihres Liebhabers würden die Tiefe seiner Liebe zeigen, so wie meine Mutter es von jenem verdammten Viscount geglaubt hatte. Prudence glaubte, wenn sie sich ihm vollkommen hingab, wenn sie ihm Freude bereitete, wenn sie alles tat, um ihn in jedem Augenblick seines Lebens glücklich zu machen, dass er sie dann lieben und ihr nie mehr wehtun würde. Und ich habe den jungen
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