Feuer der Rache
Gesichtscreme und darunter ein herbes, leicht metallisches Aroma, das von dem Wesen neben ihr ausging.
Der Motor erstarb. Es fiel Sabine schwer, die Augen zu öffnen. Hatte sie geschlafen? Erst als sie neben dem Wagen stand, bemerkte sie, dass sie nicht in der Langen Reihe in St. Georg waren, sondern in der Einfahrt zu Peter von Borgos Villa.
„Aber ich dachte, du bringst mich heim", stotterte sie und taumelte einen Schritt zur Seite. Anscheinend hatte sie wirklich geschlafen.
„Wenn du möchtest, dann bringe ich dich später zurück", bot Peter von Borgo an und reichte ihr den Arm. „Die Nacht ist noch jung. Wollen wir nicht meinen höflich-beherrschten Auftritt unter dem kritischen Blick des ergrauten Kollegen feiern?"
Sabine lächelte. „Na gut. Dann will ich jetzt nicht unhöflich sein und deine Einladung abschlagen. Wirst du für mich spielen?"
Er führte sie in den Musiksalon und rückte ihr einen bequemen Sessel zurecht. Lautlos huschte er durch das Zimmer, schob die großen Glastüren zur Terrasse auf, holte Wein und goss ihr ein. Er bewegte sich so schnell, dass sie ihm mit den Augen nicht folgen konnte. Nur wenn er für einen Moment innehielt, formte sich sein Bild in ihrem Kopf.
„Mir wird schwindelig, wenn ich dir zusehe", murmelte sie.
„Dann schließ die Augen und lehn dich zurück. Entspann dich."
Seltsam, dachte sie, ich habe keine Angst, dass er plötzlich über mich herfallen und mich aussaugen könnte. Welchen Grund habe ich, ihm zu vertrauen? Oder ist mir mein Leben nicht mehr wichtig?
„Was möchtest du hören? Beethoven?" Sie nickte.
„Gut, dann beginnen wir mit dem ,Presto agitato' aus der Sonate 14, cis-Moll", rief er. Die Musik erfasste sie. Sie hörte sie nicht, sie fühlte sie in ihrem ganzen Körper. Ein Universum von Gefühlen und Gedanken. Leichtfüßiges Glück und schwereloses Schweben wechselten zu Traurigkeit, als er zum Anfang der „Mondscheinsonate" in das „Adagio sose-nuto" wechselte. Mit Chopins h-Moll-Sonate stürzte er sie in Verzweiflung und erlöste sie mit „La Campanella" von Liszt. Die Spannung stieg mit einem Konzert von Rachmaninoff, die Töne zerrten an ihrem Geist und ihrem Körper, und als sie dachte, sie könne es nicht länger ertragen, erlösten sie die Klänge eines Chorals. Plötzlich war er bei ihr und kniete vor ihrem Sessel. Er nahm ihre Hände und küsste sie mit seinen kalten Lippen. Wie konnte das sein? Noch immer erfüllte Musik das ganze Haus. Saß er denn nicht mehr am Flügel? Seine Lippen wanderten über ihren Hals, ihre Schläfen und die Wangen.
„Ich habe darüber nachgedacht, was du mir gesagt hast", flüsterte seine Stimme von irgendwoher. „Ich habe immer nur daran gedacht, was ich brauche, und dabei nie gefragt, welche Gestalt deine Wünsche haben. Du sagtest, du wolltest einen Mann -einen richtigen Mann, der dir alles geben kann!"
Sabine riss die Augen auf und sah direkt in die seinen. Was willst du damit sagen?, wollte sie fragen, aber es kam kein Laut über ihre Lippen.
„Nicht denken!", flüsterte er. „Höre, rieche, fühle und vertraue mir!"
Er hob sie hoch und trug sie auf seinen ausgestreckten Armen, als wäre sie ein Kind. Wie durch einen Nebelschleier sah sie, dass er die Bibliothek verließ und in die Halle trat. Auch hier umhüllte sie der Klang eines Flügels. Dann setzte ein Orchester ein. Leichtfüßig erklomm er die Freitreppe zum oberen Stock, folgte der Galerie und trat in das Zimmer mit dem Himmelbett, in dem Sabine im Winter viele Tage verbracht hatte, um sich von seinem Biss zu erholen. Ihr Körper sank in seidige Bettwäsche, die sie mit den Farben des Feuers umhüllte.
Sie wollte protestieren, sich wehren, sich aus seinen Armen winden. Oder doch nicht? Nein! Ihr Körper presste sich an den seinen. Ihre Lippen suchten nach seinem Mund. Sie war nicht mehr schläfrig, nicht mehr betäubt, nicht verwirrt. Sie war hungrig und voller Gier! Etwas fuhr wie ein heißer Strahl durch ihren Leib. Was ging in ihr vor? Konnte er seine Empfindungen auf sie übertragen? Würde sie nun nach Blut lechzen? Würde sie gleich in seinen Hals beißen?
Nein, es war eine andere Begierde, die lange in ihr verschüttet gewesen war. Waren das nicht die Gefühle, die sie einst verspürt hatte, wenn sie einen Mann wollte? Wild und ungestüm -jetzt sofort -, ob auf der Schwelle zu ihrer Wohnung, weil der Weg zum Schlafzimmer zu weit war, oder im sommerwarmen Gras. Dieses animalische Begehren, das keinen Raum für Scham
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