Feuer der Rache
oder anerzogene Zurückhaltung ließ. Der Augenblick, da die über Jahrmillionen erprobten Instinkte die Herrschaft über den zivilisierten Menschen übernahmen.
Oh mein Gott! Sie verlangte nach ihm! Sie wollte, dass er sie nahm wie ein -Mann? Aber das Wesen, um das sie ihre Arme geschlungen hatte, war kein Mann, kein Mensch, ja nicht einmal lebendig! Dennoch küsste er sie, dass heiße Wellen durch ihren Körper liefen. Seine Hände waren überall. Die zu scharfen Spitzen manikürten Fingernägel hinterließen rote Linien auf ihrer noch kaum gebräunten Haut. Jetzt erst bemerkte sie, dass sie nackt war. Und er auch! Sie fühlte ein Stöhnen in sich aufsteigen. Sie schrie gegen das tosende Orchester an, während seine Hände und seine Lippen ihren Körper in Raserei versetzten.
Welch übermenschliche Beherrschung verlangte er sich selbst ab! Dieser Gedanke huschte durch ihren Sinn. Ihre Bedürfnisse waren nicht die gleichen. Wie sollte das enden?
Er zog sie an sich und umschlang sie, sodass sie seine nackte, kalte Haut spürte. Doch das war es nicht allein, was ihr einen neuen Schauder durch den Körper jagte. Sie konnte es ganz deutlich spüren: Er war wie ein richtiger Mann gebaut, und auch seine Reaktion war die eines Mannes! Groß, hart und kalt drückte sein Geschlecht gegen ihren Schenkel. Aus den verborgenen Lautsprechern hinter dem Betthimmel erklang ein Trommelwirbel. Das Bläserensemble setzte ein. Sabine krallte ihre Finger in seinen Rücken, schlang ihre Beine um ihn und zog ihn mit einem Ruck zu sich.
Wurde sie in Eiswasser getaucht, oder verbrannte sie? Sie konnte es nicht sagen. Nur eine Wahrheit drang durch ihren Rausch: Sie hatte nicht gewusst, dass es möglich war, so zu fühlen. Ihr Blick saugte sich in seinen roten Augen fest. Ihr Mund konnte nicht von dem seinen lassen.
Dann spürte sie es: Es begann in ihren Zehen, schwappte über ihre Füße und Beine und erfasste ihren Körper. Als es ihren Kopf erreichte, wusste sie, dass sie beruhigt sterben konnte. Auf dieser Welt würde sich nichts mehr finden lassen, das diesem Sturm an Gefühlen auch nur nahekommen würde. Das Letzte, was sie spürte, waren seine Zähne, die sich in ihren Hals gruben, und das Zucken, das durch seinen Körper lief. Dann verlor sie das Bewusstsein.
Eine neue Welt
Sie schwebte durch die Dunkelheit. Es waren Töne um sie herum, aber keine Farben. Ihre Finger krümmten sich und fühlten kühle Seide. Die Finsternis wich einem düsteren Rot, das sich aufhellte und zu strahlen begann, bis es sich zu einem feurigen Orange wandelte. Sabine öffnete die Augen einen Spalt, aber der Schmerz, der durch ihren Kopf fuhr, ließ sie die Lider rasch wieder schließen. Sie sank in die Dunkelheit zurück.
Als sie das zweite Mal erwachte, war der Schmerz nicht mehr ganz so groß. Sabine schlug die Augen auf und sah zu dem orangefarbenen Betthimmel hinauf. Es war hell im Zimmer. Draußen war es Tag. Sie wusste, dass er weg war, dennoch tastete ihre Hand über das Laken, über die Stelle, auf der er gelegen hatte. Langsam richtete sich Sabine auf. Wie spät war es? Fast stellte sie sich die Frage, welcher Tag heute war. Wenn ihr jemand gesagt hätte, sie habe Wochen in einem Zustand der Trance verbracht, sie hätte es geglaubt. Selbst der Teppich unter ihren nackten Füßen fühlte sich neu an -anders -seltsam. Sabine tappte zu der Frisierkommode und zog das Tuch von dem zerbrochenen Spiegel. Aus den Spiegelscherben sah ihr ein bleiches Gesicht entgegen. Und dennoch entdeckte sie ein Strahlen in ihren Augen, das vorher nicht da gewesen war. Sabine griff nach der antiken Haarbürste, die auf der Kommode lag. Langsam zog sie die Borsten durch ihr Haar und betrachtete sich dabei in den Spiegelfacetten.
An ihrer Lippe klebten Blutreste, und auch an ihrem Hals und dem Ansatz der Brüste konnte sie die kleinen Male seiner Zähne sehen. Immer wieder glitt die Bürste durch ihr Haar. Es was seltsam. Sie fühlte sich schwach und gleichzeitig sehr lebendig. Noch immer klang leise Musik aus allen Ecken und umschmeichelte sie, ebenso wie das lange Seidennachthemd, das er ihr wohl angezogen hatte. Sabine legte die Bürste zurück und machte sich auf den Weg die Treppe hinunter. Sie sah ihre Kleider sorgfältig zusammengelegt auf einem Stuhl neben der Schlafzimmertür, ließ sie aber liegen und schritt in ihrem Nachthemd durch die Halle in die Bibliothek. Sie fühlte etwas Glattes, Kühles unter ihren Fußsohlen und sah zu Boden. Was war das?
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