Feuer der Rache
so unerwartet gewaltsam von ihr genommen wurde!"
Carmen stieß ein Schnauben aus.
„Haben sich die Eheleute von Everheest denn geliebt?", hakte die Kommissarin nach.
„Aber ja! Das ist doch normal." Frau Gerstners Gesichtsausdruck wurde zunehmend empörter.
„Ich hatte eher den Eindruck, dass dies eine Ehe war, zu der die Eltern der beiden gedrängt haben. Und ich vermute, dass Frau von Everheest von dem Verhältnis ihres Mannes mit Frau Reeder wusste."
„Woher wissen Sie -ich meine, was erlauben Sie sich? Solch eine infame Unterstellung! Nur weil Frau Reeder sich für ihr Kosmetikinstitut ab und zu Rat bei dem Herrn Doktor geholt und er seine Patientinnen an sie weitervermittelt hat? Die Menschen sind neidisch und böse, und deshalb klatschen sie über die, die vom Schicksal begünstigt wurden, und verleumden sie. Der Herr Doktor von Everheest war ein Ehrenmann. Nie hätte er seiner Frau so etwas angetan!"
Carmen machte ein Gesicht, als müsse sie sich gleich übergeben.
„Mama, wir müssen! Du willst doch keinen Arger bekommen!" Sie hakte sich bei Frau Gerstner unter, grüßte die Kommissarin zum Abschied und zog ihre Mutter eilig mit sich. Sabine blieb zurück, mit viel neuem Stoff zum Grübeln.
Die Apotheke hatte noch geöffnet, und wie an jedem Tag kamen in letzter Minute etliche Kunden, um sich so wichtige Dinge wie Kamillentee, Fußsalbe oder eine Packung Kopfschmerztabletten zu kaufen. Und viele von ihnen wollten auch noch ein Schwätzchen halten.
Sabine betrachtete die alten Ladeneinbauten aus dunklem Holz und die bräunlichen Flaschen auf den oberen Regalen, aus deren Inhalt die Apotheker in früheren Zeiten die Medizin selbst zusammengemischt hatten. Den größten Teil der Auslage nahmen allerdings, wie in anderen Apotheken auch, die bunten Verpackungen der Pharma-und Kosmetikindustrie ein.
Die Kommissarin wartete geduldig, bis Alettas Mutter hinter dem letzten Kunden die Tür verschloss.
„Das sind meistens die Leute, die den ganzen Tag Zeit hätten", stellte sie fest und drehte den Schlüssel zweimal im Schloss um. Sie winkte der Assistentin zu, die ihren Kittel an einen Haken hängte und eilig verschwand. Der Chef, Dr. Thomas, war schon vor einer Stunde nach Hause gegangen.
„So, jetzt habe ich Zeit für Sie. Gehen wir nach hinten und trinken einen Kaffee? Ich glaube, es ist noch ein wenig in der Maschine." Sie ging voraus. Sabine folgte ihr durch den Raum mit den unzähligen tiefen Schubladen, die sie als Kind in der heimischen Apotheke sehr faszinierend gefunden hatte. Sie warf einen Blick ins Labor, in dem Salben gerührt und Tinkturen gemischt wurden.
„Die moderne Hexenküche", sagte sie lächelnd. „Nicht mehr sehr romantisch."
Frau Reichmann warf ihr einen forschenden Blick zu. Offensichtlich fand sie diese Bemerkung nicht amüsant.
„Sie sind also die Kommissarin, die Iris' Tod untersucht hat?", sagte sie stattdessen und bot ihr einen wackeligen Plastikstuhl an. Sabine setzte sich und nickte.
„Und was wollen Sie von mir? Aletta sagte, die Ermittlungen seien eingestellt. Es wäre entweder ein Unfall gewesen oder sie sei freiwillig von der Fähre ins Wasser gesprungen und dann ertrunken."
Die Kommissarin nickte. „Ja, das ist richtig. Aber ich möchte das ,oder' noch ausräumen. Ich möchte wissen, ob sich Iris selbst getötet hat -und wenn ja: warum."
„Und wie kann ich Ihnen dabei helfen?"
„Erzählen Sie mir von Iris und ihren Freundinnen."
„Ach ja, die unzertrennlichen vier", sagte Alettas Mutter und goss der Kommissarin Kaffee ein. „Cherry, Rose, Rabby und Eule -so nannten sie sich immer in der Schule. Später, als sie älter wurden, natürlich nicht mehr. Ich habe diese Namen lange nicht mehr gehört." Frau Reichmann trank einen Schluck, zog eine Packung Zigaretten aus der Tasche ihres weißen Kittels und öffnete sie. „Rauchen Sie?" Sie hielt der Kommissarin die offene Schachtel entgegen. Sabine schüttelte den Kopf. „Stört es Sie, wenn ich mir eine anstecke? Dummes Laster, ich weiß", seufzte sie, „und kostspielig." Dennoch zündete sie sich eine Zigarette an und blies den Rauch von Sabine weg in die andere Richtung.
„Ich weiß nicht, was ich Ihnen erzählen soll", sagte sie und lachte unsicher. „In den letzten Jahren waren die Mädchen nicht mehr sehr oft bei uns zu Besuch. Sie trafen sich meist bei der alten Frau Jacobson, der Großmutter der Zwillinge."
„Dann erzählen Sie mir, wie die Mädchen früher waren, als Sie sie noch öfter
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