Feuer der Rache
bezeichnet. Wäre Aletta eine überzeugte Christin, würde sie ihn Teufel nennen oder Dämon der Hölle, doch an solche Dinge glaubte sie schon lange nicht mehr. Weniger wegen des Teufels, der sie als Kind sehr beeindruckt hatte. Nein, die Erfahrung, dass der gütige Gottvater im Himmel sich keinen Deut um seine Schöpfungswesen kümmerte, sondern gleichgültig hinnahm, wie sie sich gegenseitig grausam verletzten und zerstörten, hatte ihr den Kinderglauben geraubt.
Langsam erhob sich Aletta und ließ das Feuerzeug in die Tasche gleiten. „Sie schon wieder!", sagte sie und ließ den Blick über den Mann wandern, der plötzlich vor ihr stand. Nur mühsam widerstand sie dem Impuls, vor ihm zurückzuweichen.
„Was wollen Sie? Ich weiß nicht, wie Sie es machen, die Gefühle der Leute zu übertölpeln und ihnen etwas vorzugaukeln. Selbst die Kommissarin fällt ja offensichtlich auf Ihre Maskerade herein. Aber ich habe es schon immer gespürt -sogar als ich noch ein kleines Mädchen war."
„Du kannst dich noch an unsere erste Begegnung erinnern? Das ist außergewöhnlich", wunderte sich der Vampir.
Sie ging um ihn herum und betrachtete ihn aufmerksam. „Ich weiß nicht, was es ist -es lässt sich nicht in Worte fassen. Sie lösen seltsame Regungen in mir aus, wie ich sie bei keinem Menschen, aber auch bei keinem Tier spüre."
Der Vampir verriet mit keiner Reaktion seine Verwunderung. Er merkte voll Freude, dass Sabine anfing, ihre Sinne zu sensibilisieren und mehr wahrzunehmen als andere Menschen. Sie wusste allerdings, was er war, und hatte schon viel Zeit in seiner Nähe verbracht. Diese junge Frau jedoch schien eine Fähigkeit zu haben, die er schon lange bei keinem Menschen mehr angetroffen hatte. Jedenfalls nicht in diesem oder dem vergangenen Jahrhundert.
„Es sind zwei widerstreitende Gefühle, die in mir kämpfen. Ein Sog, der mich anzieht, und eine tiefe Furcht, die mich warnt, Ihnen zu nahe zu kommen." Sie blieb wieder vor ihm stehen und stemmte die Hände in die Hüften. „Was sind Sie?", fragte sie leise, und ihre Stimme zitterte.
Für einige Augenblicke war der Vampir um eine Antwort verlegen. Es war neu und faszinierend, einem Menschen zu begegnen, der sein Wesen spüren konnte und seinem hypnotischen Blick widerstand -und doch war ihm die Gefahr, die dadurch von Aletta ausging, sehr wohl bewusst. Einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, ihr die Wahrheit zu sagen -einfach so, um zu sehen, wie sie darauf reagierte. Würde sie ihm glauben? Würde ihr Verstand das Unmögliche akzeptieren? Oder würde sie sich in die Normalität der anerkannten Wissenschaft zurückziehen?
Nein, dies war weder der rechte Ort noch die rechte Zeit für solch ein Spiel. Vielleicht würde er sie eines Tages zu sich in sein Haus holen, ihr seine Musik präsentieren und seine Leidenschaft zeigen. Der Augenblick verstrich, und noch immer starrte sie ihn an und wartete auf eine Antwort. Ein Windhauch hüllte ihn in ihren Duft. Es war eine Mischung aus verschwitzten Kleidern, in denen sich der Zigarettenrauch verfangen hatte, der betäubende Dunst von Räucherstäbchen, vermischt mit dem Geruch ihres Blutes, das durch die Erregung von Hormonen aufgepeitscht durch ihre Adern pulsierte.
Etwas geschah mit ihm, und sicherlich waren die vergangenen Nächte nicht unschuldig daran. Sabines intensive Nähe, die Anstrengung, seine Triebe zu beherrschen, und die Tatsache, der drohenden Vernichtung so knapp entkommen zu sein. Die über Jahrhunderte antrainierte Selbstbeherrschung fiel in sich zusammen. Das Verlangen loderte in ihm auf wie eine Stichflamme, die nicht zu löschen war. Er umschlang Alettas Taille, hob sie hoch, als wäre sie eine Puppe, und zog sie in den Schatten eines Busches am Rande der Parkmauer. Er konnte nicht mehr darüber nachdenken, ob es klug war, was er tat, er musste seinen Instinkten folgen. Seine Zähne brachen mit solcher Gewalt hervor, dass der Schmerz ihn aufstöhnen ließ. Er bog Alettas Kopf zurück und stieß zu.
Welche Lust! Das frische Blut schoss ihm in den Mund. Es prickelte auf der Zunge und sandte Wellen der Erregung durch seinen Körper. Wie öde waren seine Nächte doch geworden! Nacht für Nacht trank er Blut von Wesen, die ihm nichts bedeuteten, die zwar seine Existenz sicherten und den brennenden Hunger dämpften, die jedoch nichts hatten, um seine Sinne anzuregen. Aletta war etwas Besonderes, und obwohl sie nicht dazu taugen würde, ihn in höchste Ekstase zu versetzen, bereitete
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