Feuer der Rache
hast gesagt, du kommst um zwanzig nach. Der Bus war pünktlich, und nun stehe ich hier allein rum."
„Es tut mir leid! Es ist so viel Verkehr, und ich bin nicht rechtzeitig weggekommen, aber es dauert wirklich nur noch ein paar Minuten."
„Du hast es versprochen, und ich habe mich darauf verlassen", hörte sie Maike noch kreischen, als ihr Handy wegrutschte und in den Fußraum rollte. Aletta bückte sich, um es zwischen den Pedalen hervorzuholen. Die roten Bremslichter ihres Vordermanns flammten auf. Das Telefon in der Hand, trat sie das Pedal durch und kam mit quietschenden Reifen wenige Zentimeter hinter der Stoßstange des dunklen Mercedes zum Stehen. Ihre Wange prallte schmerzhaft gegen das Lenkrad und auf die Hupe. Ein blechernes Dröhnen erklang, und der Fahrer vor ihr hob erbost die Faust.
„Sorry, war keine Absicht", murmelte Aletta und hob das Handy wieder ans Ohr.
„Es ist so dunkel", hörte sie Maike weinen. „Aletta? Bist du noch dran?"
„Ja, Liebes, ich bin bei dir."
Der Verkehr lichtete sich. Sie fuhr an Mauern und hohen Zäunen entlang. Alte Bäume reckten ihre Äste über die Straße. Dann begann der Park. Noch eine Kurve, da tauchte das Häuschen der Bushaltestelle auf, und unter seinem Dach die massige Gestalt der Freundin. Aletta hielt vor dem Häuschen an und beugte sich auf die andere Seite, um die Beifahrertür zu öffnen. Maike ließ sich auf den Sitz plumpsen. Sie wirkte blass, nur die Augen waren vom Weinen gerötet. Einige Augenblicke sagte sie nichts, während Aletta den Wagen auf die Straße zurücksteuerte und den Weg nach Blankenese einschlug.
Ganz unvermittelt schrie Maike in solch einer Lautstärke los, dass Aletta erschreckt zusammenzuckte und der Wagen einen Satz nach vorn machte.
„Tu das nie, nie wieder, hörst du?" Sie ballte die Fäuste und begann auf das Armaturenbrett einzutrommeln. „Ich hasse dich! Immer versprichst du etwas, und dann hältst du es nicht ein und kommst zu spät!"
Aletta biss sich auf die Lippe. Das war ungerecht, aber was würde es nützen, Maike zu widersprechen?
„Du hast geschworen, es wiedergutzumachen. Hast du das vergessen?"
Vergessen? Wie konnte sie! Dafür sorgten ihre Freundinnen Tag für Tag. Sie würde ein ganz anderes Leben führen, wenn sie diesen einen Augenblick hätte zurücknehmen können. Oder war das eine Illusion?
„Du bist an allem schuld!"
Aletta kniff die Augen zusammen und krallte die Fingernägel in das Leder des Lenkrades. Gleich würde sie losschreien. Ihr Hass lag wie ein Stein in ihrem Magen und vergiftete sie von innen. Jetzt war endgültig Schluss. Sie würde dort vorn am Straßenrand anhalten und Maike in ihr fettes Gesicht schlagen! Sie würde sie aus dem Wagen zerren und mit den Füßen treten. Immer und immer wieder, bis sie keine Kraft mehr hätte, und dann würde sie weggehen. Für immer.
Maike fiel erschöpft in den Sitz zurück. „Schnall dich an", sagte Aletta barsch. Maike griff nach dem Gurt und ließ ihn einrasten. Tränen rannen ihr über die Wangen.
„Aletta, verzeih mir. Ich habe es nicht so gemeint. Ich sehe immer ihr Gesicht vor mir und stelle mir vor, ich müsste dort in diesem Kühlfach liegen. Ich war eingebildet und überheblich und dachte, ich hätte alles im Griff. Es wäre nicht so gekommen, wenn ich sie so geliebt hätte wie sie mich. Als ich es kapiert habe, war es zu spät. Es ist meine Schuld! Ganz allein meine Schuld!" Sie presste die Hände aufs Gesicht und schluchzte so heftig, dass die Schultern bebten.
Aletta seufzte. Sie war sich nicht sicher, was schlimmer war: die Maike, die auf sie einschrie, oder die Maike, die sich vor Schuldgefühlen und Selbstmitleid zerfraß. Aletta parkte den Wagen am Straßenrand, zog eine Packung Taschentücher aus dem Seitenfach und reichte sie ihrer Freundin.
„Beruhige dich. Wisch dir das Gesicht trocken und putz dir die Nase. So willst du deiner Großmutter doch sicher nicht unter die Augen treten, oder?"
Maike schniefte, schnauzte sich dröhnend in das Taschentuch und durchweichte gleich noch ein zweites. Ein Schluckauf ließ ihren Körper erbeben. Aletta wartete einige Minuten, dann erst stieg sie aus und ging um den Wagen herum, um Maike herauszuhelfen. Den Arm um ihre ausladende Mitte gelegt, führte sie sie die Panzerstraße hinauf zu Irene Jacobsons Haus.
Das war nicht die normale Welt, in die sie geboren und in der sie aufgewachsen war! Sabine fühlte sich den anderen Menschen und ihren Leben so fern und fremd. Sie
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