Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Feuer der Rache

Titel: Feuer der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
rauschte mit einem Vampir durch Hamburgs Nacht, um sich sezierte Leichen anzusehen! Nein, das gehörte nicht zu den Dingen, die man seiner Mutter am Telefon berichtete, wenn diese die übliche Frage stellte, was man denn Schönes gemacht habe. Sie hatte ihre Mutter schon wieder viel zu lange nicht angerufen, dachte Sabine. Gleich heute, wenn sie ausgeschlafen hatte, würde sie sich bei ihr melden. Nach den Leichen! Ein hysterisches Lachen stieg in ihr hoch. Das war alles so absurd. Warum ließ sie sich darauf ein? Der Fall war für sie erledigt. Sie hatte für die Familie Nachforschungen angestellt -auch wenn diese nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatten. Und nun war Iris ohne ihre Hilfe gefunden worden -oder zumindest ihr Körper.
    Die Staatsanwaltschaft würde aufgrund der Ergebnisse der Rechtsmedizin und der Kripo entscheiden, ob ein Tötungsdelikt vorlag oder nicht, und dann -je nachdem, wie die Entscheidung ausfiel -würde der Fall als Selbsttötung oder Unfall abgeschlossen oder von den Kollegen weiterverfolgt werden. Warum also, um alles in der Welt, saß sie auf der Hayabusa und jagte in halsbrecherischem Tempo dem Eppendorfer Uniklinikgelände entgegen? Sie dachte an Michael. An seine Umarmung und seinen Kuss. Er war so wunderbar männlich -und so wunderbar normal! Das Gefühl flog mit dem Fahrtwind davon. Stattdessen drängte sich der Körper vor ihr, den sie fest umschlungen hielt, in ihr Bewusstsein und füllte es aus. Ihr war es, als könne sie seine Kälte durch die Lederjacke spüren — und dennoch ging etwas von diesem Wesen aus, das sie faszinierte und ihre Seele nicht mehr freigab.
    Peter von Borgo drosselte den Motor und ließ die Maschine vor dem Maschendrahtzaun ausrollen, der, zusammen mit dichtem Gebüsch, die Straße Butenfeld vom Gelände der Klinik trennte. Er schob das Motorrad in eine Parkbucht und half Sabine über das Gitter eines geschlossenen Nebeneingangs. Aufmerksam betrachtete die Kommissarin das Gebäude. Die Fenster waren alle dunkel. Sie atmete auf. Normalerweise gab es hier keinen Nachtdienst, dennoch hatte stets einer der Ärzte für das Opferhilfeprogramm „Hamburger Initiative gegen Gewalt und Aggressivität" -kurz „HIGAG" genannt -Rufbereitschaft. Wenn es galt, Spuren liir ein Gutachten zu sichern, das auch vor Gericht Bestand haben würde, kam -egal, ob Tag oder Nacht -ein Arzt, um das Opfer zu untersuchen, zu beraten, zu fotografieren und ein Protokoll aufzunehmen. Alle anderen Fälle, bei denen die Zeit nicht so drängte, bekamen für psychologische oder rechtliche Beratung Termine zu den regulären Arbeitszeiten zugewiesen. Die Anzahl der Fälle pro Jahr hatte längst die Tausendermarke überstiegen. Es waren Frauen, die das Angebot wahrnahmen, gedemütigte, geprügelte, vergewaltigte Frauen, und Kinder, ab und zu auch Männer.
    Sabine schüttelte die Gedanken ab und folgte Peter von Borgo, der ihr eine Seitentür aufhielt. Zielstrebig ging er ihr voran die Treppe hinunter und den Gang entlang auf die Schleuse zu. War er schon einmal hier gewesen, oder roch er die toten Körper, die in den gekühlten Fächern aufbewahrt wurden, bis hierher?
    Die Kommissarin trat in den leeren Vorraum. Der Geruch von Desinfektionsmittel hing in der Luft. Sie warf einen Blick in den großen Sezierraum, in dem an manchen Tagen drei Teams gleichzeitig arbeiteten. Nun jedoch war alles sauber und ruhig, die Geräte gereinigt und an ihren Plätzen verstaut. Auf einer Tafel waren die Gewichte entnommener Organe notiert.
    Der Raum daneben war mit einer starken Abzugshaube ausgestattet. Hierher kamen die stark verwesten Toten, Leichen, die von aggressiven Pilzen befallen waren, oder die an anst-eckenden Krankheiten Verstorbenen. Eintausendzweihundert Tote wanderten pro Jahr über diese Metalltische, die matt glänzend im gedämpften Licht vor ihr lagen. Dreißig bis vierzig Leichen davon waren Fälle für die Abteilung „Tötungsdelikte" des LKA.
    „Sie ist da hinten, ganz am Ende", drang die Stimme ihres Begleiters in ihre Gedanken. Peter von Borgo deutete zu den letzten Metalltüren, die sich im Vorraum an der Wand entlangreihten. Klar, dies waren die Fächer, die am tiefsten heruntergekühlt wurden, damit die Verwesung ihre bereits begonnene Arbeit nicht fortsetzen konnte. Aber woher wusste das der Vampir?
    Als habe er ihre Gedanken gelesen, sagte er: „Ich kann ihren Körper wittern."
    „Du riechst all die vielen Toten, die hinter diesen Türen liegen, und kannst sie an ihrem

Weitere Kostenlose Bücher