Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Feuer der Rache

Titel: Feuer der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
Geruch unterscheiden?", wiederholte Sabine ungläubig und ein wenig entsetzt. Der Gedanke war erschreckend.
    Der Vampir nickte. „Vielleicht nicht alle, aber die, die bereits einen so starken Geruch verströmen, dass er durch die Dichtungen dringt."
    Die Kommissarin unterdrückte ein Schaudern und trat an die Tür mit der Aufschrift „Madenfach" heran. Wenn ihre Gedanken nicht schon auf die Tote hinter dieser Tür konzentriert gewesen wären, hätte sie sich vielleicht die Frage gestellt, wie der Vampir einen Toten erkennen konnte, den er lebendig nicht gekannt hatte.
    Peter von Borgo öffnete die Tür und zog die Wanne mit der Leiche heraus. Die Kommissarin nahm das Tuch ab. Iris. Die tote Iris. Wo war das kleine, lachende Mädchen von dem Foto geblieben? Wieder war sie ein wenig erstaunt, den Körper einer erwachsenen Frau vor sich zu haben.
    Schweigend standen sie nebeneinander und betrachteten den nackten, von Fäulnis aufgetriebenen Leib. Nun sah die Kommissarin auch die einzige größere Wunde am Unken Bein, das bis zum Knie fast völlig zerfetzt war. Eine Schiffsschraube? Hatte Iris zu diesem Zeitpunkt noch gelebt?, fragte sie sich bang. Sabine betrachtete die Hände: weiß und verschrumpelt wie OP-Handschuhe. Es sah aus, als könne man die Haut samt den Fingernägeln in einem Stück herunterziehen.
    Die Gewalt, die dem Körper bei der Seküon zugefügt worden war, fiel -bis auf die grobe Naht über Brust und Bauch -nicht so sehr ins Auge. Sabine wusste, dass man den gesamten Rumpf in Form eines Ypsilons aufgeschnitten, die Organe entnommen und gewogen und Proben für die Histologie genommen hatte. Danach war alles wieder in die Bauchhöhle zurückgelegt und die Haut vernäht worden. Ein Sektionsassistent übernahm es, den Schädelknochen aufzusagen. Der Schnitt wurde stets hinter dem Haaransatz geführt und die Kopfschwarte nach vorn und hinten abgezogen, sodass man, nachdem das Gehirn entnommen worden war, die Gesichtshaut wieder an ihren ursprünglichen Platz ziehen konnte.
    Der Vampir verschwand von ihrer Seite und kam kurz darauf mit einem schmalen Hefter zurück. Sabine las. Es tat gut, den Blick von dem zerstörten Körper auf das Papier mit seinen emotionslosen Sätzen richten zu können. Peter von Borgo legte das Tuch wieder über Iris' Leiche und schob die Wanne zurück in das Kühlfach.
    Da stand es: Die Verletzung war post mortem entstanden, wahrscheinlich durch eine Schiffsschraube. Sabines Blicke huschten über die Fachbegriffe und Beschreibungen: streifige Blutungen in der Halsmuskulatur, ballonierte Lunge, subpleurale Paltauf-Flecken vor allem in den Interlobärspalten, leichte Schleifspuren an Stirn, Handrücken, Knie und Zehen. Sie blätterte weiter zu der Bestimmung der Todeszeit. Die Venenzeichnung und der aufgeblähte Zustand der Leiche zeigten, dass sie -bei 10,5 Grad Eibtemperatur mindestens zehn Tage im Wasser gelegen hatte. Die gelockerten, aber noch nicht gelösten Nägel sprachen gar für einen Zeitraum zwischen sechzehn und fünfunddreißig Tagen. Sie las die Eintragungen in den Spalten „Ablösungszustand der Haut", „Pleuratranssudat", „Herz blutleer" und „Gehirn erweicht" und blätterte dann zu den Schlussfolgerungen der Rechtsmedizinerin weiter.
    Die Kommissarin las das Protokoll zweimal durch. Keine Anzeichen, dass Iris vor ihrem Tod Gewalt zugefügt worden war, keine Würgemale, keine Verletzungen, die auf eine Vergewaltigung hindeuteten. Und auch kein Alkohol war in ihrem Gewebe gefunden worden. Frau Jacobson hatte Sabine erzählt, dass Iris gut schwimmen konnte. Wäre sie in die Elbe gefallen, hätte sie sich dann nicht retten können? Allerdings durfte man den Fluss mit seinem Gezeitenwechsel nicht unterschätzen. Außerdem war das Wasser im April noch so kalt, dass man nicht sehr lange durchhalten würde. Die Frage wäre dann jedoch, wo war sie hineingefallen und warum? Hatte es Zeugen gegeben, die ihr nicht helfen konnten oder wollten? Oder doch Selbstmord? Wo aber war dann ihr Abschiedsbrief? Es gab Menschen, die sich davonmachten, ohne eine Erklärung abzugeben, ohne ein Abschiedswort, doch die waren selten.
    Und wenn ein Brief vorhanden gewesen war? Hatte jemand ihn verschwinden lassen? Die Kommissarin kaute auf ihrer Unterlippe. Wer konnte ein Interesse daran haben, ein Abschiedsschreiben zu vernichten? Wollte jemand, dass es wie ein Unfall aussah oder wie Mord?
    Wenn Iris sich selbst getötet hatte, was hatte sie zu dieser Fat getrieben? Stand in dem Brief

Weitere Kostenlose Bücher