Feuer der Rache
viel Gel zu einer kunstvollen Frisur gestylt hatte, musste er für seinen seriösen Bruder ein einziger optischer Albtraum sein. Ein strahlendes Lächeln erhellte sein Gesicht, als er auf seine Exschwägerin zuging und sie auf beide Wangen küsste.
„Meine Liebe, wie schön. Wir haben uns lange nicht gesehen. Komm herein. Du, ich habe eine Heidelbeerbaisertorte gebacken. Eigene Kreation, die musst du probieren!"
Sabine sah zu dem verschmierten Gesicht ihrer Tochter hinunter, die das Kunstwerk offensichüich bereits getestet hatte.
„Und, ist sie gut geworden?"
Julia nickte heftig mit dem Kopf. „Ja, die ist superlecker, Mama. Ich hab auch noch ganz viele Sahne draufgetan. Und jetzt esse ich die Schokotörtchen! Wir bleiben doch noch, oder? Ach bitte, Mama!"
Ulf schob Sabine und das Mädchen ins Esszimmer, wo auf einer langen, mit altem besticktem Leinen und Goldrandtellem gedeckten Tafel ein halbes Dutzend Kuchen und Torten standen.
„Natürlich bleibt ihr!", sagte der Gastgeber und griff nach einer silbernen Kanne. „Tee?"
Sabine nickte. „Das wird meinem Ex aber nicht passen", murmelte sie, während Ulf ihr Sahne und Kandis in die Tasse gleiten ließ.
„Das ist nicht von Bedeutung! Es ist mein Haus, und hier wird nicht über kleinlichen Ehekram gestritten!" Er reichte Sabine ihre Tasse. „Also -nicht gleich wieder weglaufen. Misch dich unter die Leute. Es sind ein paar interessante Kerle dabei, die sich sogar für Frauen interessieren... leider!", fügte er mit gespielter Leidensmiene hinzu.
Julia drückte ihrer Mutter einen Teller in die Hand, auf dem ein Riesenstück Baisertorte, ein Schokoladentörtchen und fünf Windbeutel lagen. Das Ganze war mit einem Berg Sahne garniert.
„Julia, wer soll denn das alles essen?"
„Das ist für dich!", bekräftigte die Tochter und zog einen Schmollmund. „Aber ich kann dir helfen, wenn du willst."
Da der Salon und das Wohnzimmer voller Leute waren, zog Sabine sich mit Tee und Kuchenberg zu einem der kleinen Kaffeehaustischchen in einer Fensternische zurück. Julia stellte sich neben sie und vertilgte einen Windbeutel nach dem anderen. Mit einem genüsslichen Schmatzen leckte sie sich die Finger ab.
„Möchtest du auch einen, Papa?"
Sabine fuhr herum. Julia nahm den letzten Windbeutel in ihre beschmierten Finger und streckte ihn dem Mann im korrekten dunkelgrauen Zweireiher entgegen, der unbemerkt eingetreten war. Er verzog angewidert das Gesicht. „Nein, danke. Und du hast auch genug. Wie siehst du denn aus? Geh dir Gesicht und Hände waschen. Du bist ein Ferkel! Sieh dir dein schönes Kleid an.
Julia schob schmollend die Unterlippe vor, ging aber hinaus, um sich zu waschen.
„Du hast sie ja gut im Griff", sagte Sabine aggressiv. „Dressur ist alles."
„Ja, und kaum tauchst du auf, benimmt sie sich daneben", erwiderte er bissig. Sie musterten sich voller Abneigung.
„Was tust du hier?"
„Kuchen essen, wie du siehst", antwortete sie kalt.
„Du hast gesagt, du holst Julia ab. Wenn ich geahnt hätte, dass du diesen Vorwand benutzt, dich hier einzuschleichen..." Sabine fuhr so hastig von ihrem Kaffeehausstuhl auf, dass er nach hinten gegen den Topf einer Palme kippte.
„Ich brauche weder einen Vorwand, noch habe ich es nötig, mich einzuschleichen", zischte sie.
„Ach, wie ich sehe, habt ihr die Gelegenheit gleich beim Schopf ergriffen, euch anzugiften", unterbrach sie Ulf im Plauderton.
„Sabine, mein Herz, ich unterbreche nur ungern, aber ich brauchte dich mal. Kommst du?"
Die Kommissarin stellte den Stuhl wieder ordentlich an seinen Platz und verließ das Esszimmer, ohne ihren Exmann noch eines Blickes zu würdigen. Während sie Ulf durch das Wohnzimmer folgte, fing sie einige Gesprächsfetzen auf. Natürlich war der Mord eines Fast-Nachbarn das Gesprächsthema. In Hamburg wurden Leute aus Hammerbrook ermordet, aus St. Georg oder Billstedt, aber doch nicht aus der Abteistraße!
Ulf führte sie zu zwei Männern, die mit Proseccogläsern in der Hand ganz hinten an der Wand standen. Erst sah Sabine nur ihre Rücken. Der eine trug ein Leinensakko und Jeans, der andere ein dunkelblaues Seidenhemd zur beigefarbenen Hose. Als sie sich näherten, wandte sich der Mann im Sakko um. Die Kommissarin blinzelte. Spielte ihre Fantasie ihr einen Streich? Das konnte nicht sein! Und doch glich dieses Gesicht dem auf den Fotos, die sie vor ein paar Stunden betrachtet hatte. Kein Zweifel, das war der Mann, der dem Schwarzen die Geldrolle in die Hand
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