Feuer der Rache
gedrückt und im Gegenzug das Tütchen mit dem weißen Pulver entgegengenommen hatte.
Nun drehte sich auch der andere um, und sie wunderte sich nicht mehr darüber, dass auch sein Gesicht ihr bekannt war. Die Mienen der Männer wirkten im Gegensatz zu den anderen Gästen ungewöhnlich ernst, und die Kommissarin wusste, über welches Thema die beiden sich unterhalten hatten.
„Darf ich vorstellen: Eike Canderhorst -Lorenz von Raitzen -Sabine Berner." Sie reichten sich die Hände.
„Sie haben eine Werbeagentur in der Hafencity, nicht?", sagte Sabine, als sie dem Mann im Sakko die Hand reichte, und fügte in Gedanken hinzu: Und du kokst?
Herr von Raitzen nahm ihr die Suche in ihrem Gedächtnis ab. „Steuerberater", sagte er. „Mein Büro ist in der ABC-Straße."
Sabine nickte. Auch nicht gerade eine preiswerte Gegend. Anscheinend war sie nur noch von geld-und erfolgsverwöhnten Leuten umgeben -bis zu deren frühzeitigem Ableben, lästerte eine Stimme in ihr.
„Gehen wir ins Arbeitszimmer", schlug Ulf vor. „Dort seid ihr ungestört."
Die Kommissarin folgte den drei Männern. Was wollten sie von ihr?, fragte sie sich verwirrt. Sicher wussten sie, dass sie für die Kripo arbeitete. Wollten sie nur ihre Neugier befriedigen und sie über den Stand der Ermittlungen aushorchen? In was für einem Verhältnis standen sie zu den Ermordeten? Freunde der Familie, hatte Frau Sandemann gesagt.
„Woher kennt ihr euch?", fragte sie Ulf, der ihr die Tür aufhielt.
„Wir haben die Freuden und Leiden der Schulzeit miteinander geteilt und uns zusammen durchs Abitur gemogelt", sagte er mit einem verklärten Lächeln.
„Ihr wart in einer Klasse?"
Ulf nickte. „Ja, auf dem Gymnasium in Blankenese. Und ich sage dir, wir waren furchterregend!" Ein Schatten huschte über sein Gesicht und verdunkelte das Strahlen seiner blauen Augen, das seinen unwiderstehlichen Charme ausmachte. „Und jetzt sind drei von uns tot. Es ist unfassbar!" Er schüttelte den Kopf, ging hinaus und schloss die Tür.
Die Kommissarin wandte sich den beiden Männern zu, die sie aufmerksam ansahen. Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wartete. Endlich schienen sie ihre Musterung beendet zu haben und tauschten einen kurzen Blick aus, ehe Eike Canderhorst das Gespräch begann.
„Sie sind doch Kommissarin beim LKA -bei der Mordkommission?"
Das war zwar nicht ganz korrekt ausgedrückt, aber sie nickte dennoch.
„Haben Sie mit den Fällen von Everheest, Reeder und Sandemann zu tun?"
Also doch! „Nein, ich habe nichts mit diesen Ermittlungen zu tun, tut mir leid. Außerdem dürfen wir keine Informationen über laufende Untersuchungen herausgeben."
„Das ist klar", mischte sich Lorenz von Raitzen ein. „Aber können Sie uns vielleicht sagen, ob es schon einen Tatverdächtigen gibt?"
Sabine schüttelte den Kopf. „Warum? Fragen Sie nur aus Neugier, oder haben Sie Informationen für uns, die diese Fälle betreffen?" Beide Männer hoben abwehrend die Hände und wichen ein Stück zurück.
Aha, keine Infos rausrücken, nur die Kripo ausfragen wollen. Sabine griff nach der Türklinke.
„Warten Sie!", rief von Raitzen. „Können Sie uns sagen, wie das mit dem Personenschutz funktioniert?"
Überrascht ließ Sabine die Hand wieder sinken. „Personenschutz?"
„Ja, wer ihn bekommt und unter welchen Umständen man ihn beantragen kann. Ich meine, wie die Gefährdung sein muss und so."
Die Kommissarin sah die beiden Männer prüfend an. „Geht es hier um reine Theorie, oder fühlen Sie sich bedroht und wollen beschützt werden?"
„Es geht um uns", bestätigte Lorenz von Raitzen.
„Was für einen Grund könnte es geben, zu glauben, Sie seien in Gefahr?"
„Na, hören Sie mal!", ereiferte sich Eike Canderhorst. „Drei unserer Bekannten -Schulfreunde -wurden in den vergangenen Tagen ermordet, und Sie haben anscheinend noch keine Ahnung, von wem. Haben wir da nicht allen Grund, uns Sorgen zu machen?"
„Das kommt darauf an, in welcher Verbindung Sie zu den Opfern stehen und welches Motiv der Mörder hat. Es werden selten ganze Gruppen ausgelöscht, nur weil sie zufällig in eine Klasse gegangen sind."
„Und wenn es ein Verrückter ist? Ein Psychopath, der unseren ganzen Freundeskreis umbringen will?", widersprach Eike Canderhorst.
„Auch Psychopathen treffen meist eine gezielte Auswahl.
Die Opfer haben etwas gemeinsam -und das ist nicht nur das gleiche Klassenbuch. Also, gehen wir einmal davon aus, dass Sie die nächsten Opfer
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