Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
über dem Klo mit Tesafilm befestigt ist, verbietet aufgrund der Wasserprobleme, die Toilette zu benutzen.
Der Geruch verrät, dass jemand das Verbot ignoriert hat.
Ida setzt sich auf den Deckel und schlägt das Buch auf ihren Knien auf.
Werde ich mit G zusammenkommen?
Wenn sie mit dem Buch spricht, fällt es ihr manchmal schwer, sich auf einen einzigen Gedanken zu konzentrieren. Aber jetzt nicht.
Sie spürt von ganzem Herzen, dass sie eine Antwort braucht, jetzt, eine klare und deutliche Antwort. Diese Beschützer müssen ihr sagen, wie die Dinge liegen, sie kann nicht noch mehr Zeit auf eine Sache verschwenden, die möglicherweise völlig aussichtslos ist. Kann nicht riskieren, sich noch weiter unnötig zu erniedrigen.
Das Buch antwortet nicht. Die Zeichen bleiben reglos. Offenbar haben die Beschützer keine Lust zu kommunizieren.
Ida stellt den Musterfinder klirrend auf das Waschbecken.
Sie will das Buch gerade zuklappen und aufstehen, als das wohlbekannte Schwindelgefühl sie erfasst, stärker als je zuvor.
Und dann ist sie
da
.
Ganz dicht an Gustafs Gesicht. Er legt seine Lippen auf ihre, und sie verschmelzen, bis sie nicht mehr unterscheiden kann, wo sein Mund beginnt und ihrer endet.
Es tut weh, so sehr will sie ihn.
Und dann ist sie zurück auf der Toilette.
Sie tastet nach dem Musterfinder, er fällt auf den Boden, rollt zwischen die zusammengeknüllten Papierhandtücher, die rund um den Mülleimer liegen. Sie bekommt ihn zu fassen, dreht an den Segmenten und konzentriert sich.
War das eine Vision, die die Zukunft zeigt?
Unendlich langsam bewegen sich die Zeichen über die Seiten.
Ja
.
Das Buch wirkt überzeugt, aber Ida wagt nicht, der freudigen Nachricht jetzt schon zu trauen.
Okay, aber du hast gesagt, es gibt unterschiedliche Varianten der Zukunft. Habe ich eben die gesehen, die eintreffen wird?
Ungeduldig schaut sie auf das Buch.
Ja. Mit großer Wahrscheinlichkeit. Wenn du dich an unsere Abmachung hältst. Mit den anderen zusammenarbeitest. Und ganz gleich, was du tust, halte dich von
PE fern
.
Warum sollte sie bei dieser Idiotensekte mitmachen wollen?
»Ich verspreche es«, sagt sie laut, und kann ganz deutlich spüren, wie zufrieden das Buch mit ihrer Antwort ist.
Sprich nicht mit den anderen darüber. Das hier ist unser Geheimnis
.
Auch das verspricht Ida. Sie hat nicht das geringste Problem damit, über diese Sache zu schweigen.
Zum ersten Mal in diesem Spätsommer liegt ein Hauch von Kühle in der Abendluft.
Minoo sitzt zusammengekauert auf dem Liegestuhl in ihrer Gartenecke.
Romeo & Julia
liegt zusammengeklappt neben ihr.
Sie hat bis nachmittags geschlafen. Ihre Eltern waren nicht zu Hause, und als sie von einem Spaziergang zurückgekommen ist, war das Haus noch immer leer und dunkel.
Ein Windstoß weht durch den Garten, und sie fröstelt, aber sie will nicht nach drinnen in die Stille.
Minoo denkt an alles, was seit der Nacht des Blutmonds passiert ist. Sie denkt an Elias und Rebecka.
Ein Bild von Max steigt in ihr auf. Rebecka, die vom Schuldach in den Tod stürzt.
Wo waren die Beschützer da?
Es fällt ihr schwerer, an ihre Existenz zu glauben als an die der Dämonen. Genauso schwer wie daran, dass sie die Kraft der Beschützer in sich trägt.
Matilda hat fast dasselbe gesagt wie Nicolaus.
Du musst deine Magie nicht fürchten, solange du sie verantwortungsvoll und gut einsetzt. Ich weiß, dass du das tun wirst.
Wieso haben Matilda und das Buch nicht schon früher von den Beschützern und von ihren Kräften erzählt? Matilda hat gesagt, die Beschützer dächten anders als Menschen, sie hätten nicht dasselbe Zeitgefühl, würden auf andere Weise kommunizieren. Ist das die Erklärung? War ihnen einfach nicht bewusst, wie wichtig es für Minoo ist, Bescheid zu wissen?
Ein Auto kommt näher, biegt in die Garagenauffahrt ein.
Minoo hört Türen knallen, hört Mama und Papa ins Haus gehen, sieht, dass drinnen Licht angemacht wird.
Mama ruft sie. Gleich steht Minoo auf, aber noch nicht jetzt.
Sie muss sich erst sammeln. Stark genug werden, um sicherzugehen, dass sie nicht sofort losheult, wenn sie ihren Eltern gegenübersteht. Dass sie ihnen nicht erzählt, dass Engelsfors eine Tür ist, an die in diesem Augenblick die Dämonen anklopfen. Dass die Apokalypse näher kommt, und zwar viel zu schnell. Dass sie nicht wissen, wie sie das verhindern sollen.
»Wir sind in der Küche, kommst du mal?«, ruft Mama, als Minoo die Terrassentür aufmacht.
Mama und Papa
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