Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Kevin kennen kein anderes Thema mehr. Robin und Felicia reden überhaupt nicht mehr mit ihr und sind ebenfalls in die Bewegung eingebunden. Julia ist die Einzige, die sie davon abhalten konnte, sich auch anzuschließen, aber ihr ist klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Julia es doch tut.
Dann ist Ida alleine.
Sie hat das Buch mehrmals gefragt, wieso sie nicht mitmachen darf. Aber sie bekommt keine Antwort. Die Beschützer scheinen nicht mit ihr darüber reden zu wollen.
Manchmal denkt Ida, dass sie am liebsten auf sämtliche Abmachungen mit dem Buch pfeifen würde. Es widerspricht ihrer Natur, gegen den Strom zu schwimmen. Sie will den Strom anführen.
Es klingelt an der Tür. Lotta springt vom Stuhl und rennt in die Diele.
Ida trinkt einen großen Schluck Tee. Tut so, als wäre sie vollkommen in ihre französischen Verben vertieft.
»Erik ist da!«, ruft Lotta und tanzt vor ihm in die Küche.
»Hi«, sagt er und alle außer Ida begrüßen ihn mit großem Enthusiasmus.
»Na, Erik, freust du dich schon auf das Frühlingsfest?«, fragt Papa.
»Ja, klar«, sagt er. »Schließlich gehen wir helleren Zeiten entgegen. In jeder Hinsicht!«
Seine Wangen sind rot von der Kälte und ein klarer Tropfen rinnt aus seiner Nase.
»Es sieht so aus, als gäbe es großen Zuspruch im Zentrum«, sagt Mama.
»In der Schule auch«, sagt Erik. »Alle, die ich kenne, machen mit. Alle außer Ida. Ist ja nur für PE -Mitglieder.«
Die Blicke richten sich auf Ida.
Sie klappt ihr Buch zu.
»Ich habe mich noch nicht entschieden«, sagt sie und steht auf, ehe es zu einer Diskussion kommen kann. »Ich muss noch Zähne putzen, dann können wir los.«
Eilig geht sie die Treppe hoch in ihr Zimmer. Hört, wie Erik, Mama und Papa über das PE -Frühlingsfest sprechen. Krabben-Schlemmen und Live-Band im Zentrum. Und die Gymnasiastengruppe wird eine eigene Party in der Turnhalle veranstalten. Erik macht mit und organisiert alles. Natürlich. Seit sie im Herbst die Hockeymannschaft gecoacht hat, gehört er zu Helenas Lieblingen.
Ida putzt sich mit schnellen Bewegungen die Zähne und mustert sich dabei im Spiegel.
Sie erkennt diese Ida, die ihr entgegenblickt, kaum wieder. Als hätte sie über den Winter jede Farbe verloren.
Was ist mit meinem Leben passiert?, denkt Ida.
Inzwischen ist März. Du hast diese Zeit genauso sehr gehasst wie ich. Jetzt ist es am schlimmsten. Man ist ein halbes Jahr in Kälte und Dunkelheit herumgelaufen und kann sich nicht vorstellen, dass es je wieder hell und warm wird.
Es ist jetzt fast genau ein Jahr her, dass ich J’s Pistole genommen habe. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, wahrscheinlich habe ich überhaupt nicht gedacht, wollte nur den töten, der mir dich weggenommen hat. Und dann stand er im Speisesaal vor mir und tat so, als wäre er du. Er sah aus wie du, redete wie du, er hatte deine Erinnerungen. Er war dein Mörder. Aber ich war fast bereit, das zu vergessen. So sehr habe ich dich vermisst.
Ich vermisse dich immer noch.
Gerade jetzt fühlt es sich an, als wärst du hier. Scheißegal, dass es nur Einbildung ist. Ich brauche jemanden, der mir zuhört, bevor ich explodiere.
Ich weiß ja, was ich eigentlich tun sollte: Ich sollte mich so weit wie möglich von V fernhalten. Manchmal bilde ich mir ein, es wäre vorbei, denke, dass dieses Feuer in mir zu Glut geworden ist, aber dann begegne ich ihr auf dem Flur, oder wir berühren uns zufällig, wenn ich nicht darauf vorbereitet bin, und es ist, als würde man einen ganzen Benzinkanister in die Glut kippen, und ich fange wieder an zu brennen.
Wenn ich nicht zu dieser Party bei J gegangen wäre, wäre es vielleicht gar nicht so weit gekommen. Ich kann mich exakt an den Augenblick erinnern, in dem es passiert ist. V kam aus dem Bad und sah so verdammt glücklich aus. Ich kann es nicht erklären, aber es war, als wäre sie von einer strahlenden Energie umgeben. Und ich habe gewusst, dass ich immer in ihrer Nähe sein will. Als sie dann auch noch meinen Arm berührte, war es gelaufen.
Kannst du dir vorstellen, wie krank das war, es ausgerechnet da und in dieser Situation zu kapieren? Verliebt in W’s Freundin? Auf einer Party bei J? Glückwunsch, Linnéa. Wie immer. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Ich muss bald aufhören, es klingelt in ein paar Minuten. Stunde bei Backman, du weißt, wie sehr ich mich darauf freue. Manchmal vermisse ich sogar Olivia, zusammen konnten wir ihn wenigstens ein bisschen ärgern.
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