Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
damit ein Problem.
Stattdessen legt sie den Kopf schief und mustert nachdenklich seine dunklen Haare, bis er merkt, dass sie ihn anschaut.
»Was ist los?«, fragt er gereizt.
Er schämt sich offenbar kein bisschen dafür, dass er Vanessa angafft. Ida hält ihre Stimme so ruhig, wie es nur geht.
»Wahnsinn, dass mir das nicht schon viel früher aufgefallen ist«, sagt sie.
»Und zwar?«
»Ach, nichts«, sagt Ida und schaut weg.
»Verdammt noch mal, sag schon.«
Ida dreht sich wieder zu ihm. Lächelt.
»Ach, weißt du, wenn man hier so in der Sonne sitzt, sieht man nur, dass du ziemlich früh eine Glatze haben wirst.«
Robin prustet los und Julia und Felicia kichern überdreht.
»Werde ich überhaupt nicht«, sagt Erik und sein Blick verdunkelt sich.
»Jetzt sei doch nicht sauer«, sagt Ida. »Das dauert noch Jahre, bis man es richtig sieht. Es war nur eben in diesem Licht …«
Robin rubbelt Erik fest über den Kopf.
»Sollen wir schauen, ob sie schon ausfallen?«, sagt er. Erik schlägt seine Hand weg und wirft Ida einen wütenden Blick zu.
Sie hebt die Augenbrauen.
»Bist du jetzt etwa sauer auf mich? Du wolltest es doch unbedingt wissen. Ich sage nur, wie es ist.«
Ihr Handy piept in der Strandtasche und im selben Moment klingelt es auch ein Stück weiter weg. Sie sieht, wie Vanessa ihr Handy nimmt.
Ida hat ein komisches Gefühl im Magen. Das kann kein Zufall sein.
Sie zerrt ihr Telefon aus der Tasche. Die Sonnencreme an ihren Fingern hinterlässt weiße Streifen auf dem Display.
Eine Nachricht von Minoo. Sie ruft die SMS auf und liest, während sie gleichzeitig spürt, dass Vanessa sie von ihrem Handtuch aus beobachtet.
Ida löscht die Nachricht und stellt sich hin. Sie zupft ihren Bikini zurecht und geht zum Wasser.
»Willst du baden?«, ruft Felicia ihr nach.
»Was denkst du denn?«, antwortet Ida, ohne stehen zu bleiben.
Sie geht zwischen den kreischenden Kindern und ihren mindestens genauso lauten, gluckigen Eltern durch.
Das Wasser umspült lau ihre Waden. Sie geht tiefer rein und dann taucht sie unter, schwimmt, bis sie die kalte Strömung im See spürt, und bleibt dort. Die ganze Zeit pulsiert ein einziger Satz durch ihren Körper.
Ich will nicht. Ich will nicht. Ich will nicht
.
Aber sie weiß, dass sie es tun wird. Sie wird heute Nacht mit den anderen auf den Friedhof gehen. Nicht, weil ein alter Grabstein, auf dem Nicolaus’ Name steht, sie sonderlich interessiert, sondern weil sie das Versprechen halten muss, das sie dem Buch der Muster gegeben hat.
5. Kapitel
D
as Abendessen besteht aus Schichtsalat und Tiefkühl-Hackbällchen, die Anna-Karins Mutter in der Mikrowelle aufgewärmt hat. Sie essen wie immer vor dem Fernseher. Das hätte Mama am liebsten schon so gemacht, als sie noch auf dem Hof wohnten. Es war Großvater, der darauf bestand, dass sie gemeinsam am Küchentisch aßen.
Anna-Karin und ihre Mutter reden kein Wort miteinander. Im Fernsehen geht es um einen Millionär, der so tut, als wäre er arm. Dann verrät der Millionär, wer er wirklich ist, und verschenkt einen Haufen Geld an Menschen, die wirklich arm sind und vor lauter Glück und Dankbarkeit anfangen zu weinen. Anna-Karin wird schlecht davon. Oder vielleicht auch vom Schichtsalat. Sie hat schon wieder zu viel gegessen, obwohl es nicht mal geschmeckt hat.
»Danke für’s Essen«, sagt Anna-Karin und steht auf.
»Schon gut«, sagt Mama abwesend und steckt sich eine Zigarette an.
Sie lässt den Fernseher nicht aus den Augen.
Anna-Karin geht in ihr Zimmer und schaltet den Rechner an. Während Peppar auf ihrem Schoß liegt und schnurrt, sucht sie nach Informationen über Waldsterben, aber sie findet nichts, das zu dem passt, was sie gesehen hat. Stattdessen träumt sie sich weg, indem sie nach Möglichkeiten sucht, weit entfernt von Engelsfors Tiermedizin zu studieren. Jetzt kommt es nur noch darauf an, dass sie dieses und das nächste Jahr auf dem Gymnasium übersteht. Und dass die Apokalypse ihr nicht zuvorkommt.
Sie schaut auf die Uhr. Es ist Zeit, Nicolaus abzuholen. Sie hat ihm gesagt, sie hätte auf dem Weg zum Friedhof gerne Begleitung, aber eigentlich wollte sie nur sehen, wie er auf Linnéas Entdeckung reagiert.
Der Fernseher läuft immer noch, als Anna-Karin vorsichtig ins Wohnzimmer geht. Mama liegt auf dem Sofa und schnarcht leise. Anna-Karin schleicht zu ihr, nimmt den Aschenbecher, geht damit in die Küche und ertränkt alle Kippen unter dem Wasserhahn.
Anna-Karin tritt aus der Tür und
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