Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
man mehrere Quadratkilometer Haut. Und nach dem Baden darf man die ganze Prozedur wiederholen. Und selbst wenn man nicht badet, hat man bei dieser ekelhaften Hitze doch in fünf Minuten alles runtergeschwitzt.
Ida sehnt sich nach Regen, nach einem wolkigen Himmel, einem winzigen Windhauch. Jedes kleine Geräusch bleibt in der reglosen Luft hängen. Die kreischenden Kinder, die im Wasser planschen. Julias und Felicias Geplapper. Robins und Eriks nerviger Hip-Hop, der aus einem scheppernden Lautsprecher dröhnt.
Ida trägt Sonnenpflegestift auf die Lippen auf. Die weiße, zähe Masse erinnert an Ektoplasma, das Zeug, das ihr offenbar aus dem Mund trieft, wenn sie besessen ist. Genervt verscheucht sie den Gedanken und legt sich auf ihr Badehandtuch. Sie versucht zu entspannen, aber ihr ganzer Körper ist glitschig und klebrig. Und jetzt rutscht Erik näher an sie heran, presst seinen verschwitzten Oberschenkel an ihren.
»Kannst du mal aufhören, wie eine eklige Warze an mir zu kleben?«, sagt sie.
Julia und Felicia verstummen, und Ida muss sie gar nicht anschauen, um zu wissen, dass sie nervöse Blicke wechseln.
»Hast du deine Tage, oder was?«, motzt Erik, aber wenigstens rückt er wieder ein Stück von ihr ab.
Julia und Felicia unterhalten sich weiter. Darüber, dass heute der letzte Ferientag ist und wie unmenschlich es ist, bei dieser Hitze in die Schule zu müssen. Julia erzählt, dass sie die Rektorin Adriana Lopez in diesem Eso-Laden in der Citygalerie gesehen hat.
Ida versucht, nicht zuzuhören. Sie will nicht an die Rektorin mit der gruseligen Narbe über der Brust denken. Sie setzt sich wieder auf und greift nach der Wasserflasche, schraubt mit klebrigen Fingern den Deckel ab. Das Wasser ist abgestanden und schmeckt nach Plastik. Ekelhaft, ekelhaft, alles ist so ekelhaft.
Sie schielt zu den anderen. Julia redet und zupft das T-Shirt zurecht, das sie über ihren Bikini gezogen hat. Felicia tut so, als würde sie ihr zuhören, aber eigentlich ist sie völlig auf Robin fixiert, der nichts davon merkt. Er ist garantiert der Einzige, der nicht kapiert, dass Felicia in ihn verknallt ist.
»Bin ja gespannt, welcher Psycho sich dieses Jahr umbringt«, sagt er plötzlich und die anderen lachen, Felicia am lautesten von allen.
Ida trinkt einen Schluck Ekelwasser, um nicht mitlachen zu müssen. Sie will nicht an Elias’ und Rebeckas sogenannte Selbstmorde denken. Müssen sie immerzu alle und alles an die Auserwählten erinnern und an den ganzen Scheiß, der im letzten Schuljahr passiert ist?
»Bald sind keine mehr übrig«, sagt Felicia zu Robin.
Aber etwas anderes beansprucht seine Aufmerksamkeit. Er haut Erik auf den Brustkorb.
Erik grunzt und setzt sich auf.
»Was ist los?«
Dann sieht er, was Robin gesehen hat, und verstummt.
Ida muss gar nicht in dieselbe Richtung schauen, um zu wissen, dass es Vanessa Dahl ist. Wäre Ida aufmerksamer gewesen, hätte sie diesen extrem nervigen Minitornado bemerkt, den Vanessas Energie schon in hundert Metern Entfernung auslöst. Ida kennt ihn nur zu gut von ihren gemeinsamen Trainingsstunden. Sie dreht sich um. Vanessa hat ihr ganzes albernes Pack im Schlepptau.
»Angeblich ist die mit jedem von denen schon im Bett gewesen«, sagt Felicia. »Bestimmt auch mit dem Dicken da.«
Ida und Julia kichern. Aber die Jungs sind still. Starren Vanessa an, die sich in ihrem minikleinen Bikinihöschen nach vorne beugt und ihr Handtuch ausbreitet. Sie ist so perfekt gebräunt, wie Idas Pigmente es nie erlauben würden.
»Schicker Haaransatz«, sagt Ida.
Vanessa hat mehrere Zentimeter dunkelbraunes Haar unter der weißblonden Pracht. Ida spielt mit einer naturblonden Haarsträhne, die ihr aus dem Pferdeschwanz gerutscht ist. Das fühlt sich beruhigend an.
Vanessa dreht sich um, und für einen Augenblick ist Ida sicher, dass sie gleich Hallo sagen wird.
Aber Vanessa sagt nichts, sondern legt sich auf ihr Handtuch. Ida ist erleichtert. Für die fünf Auserwählten gibt es keinen Grund mehr, zu verheimlichen, dass sie einander kennen. Die Dämonen wissen, wer sie sind. Aber sollte der Rest von Engelsfors auf die Idee kommen, Ida und Vanessa hätten etwas gemeinsam, wäre Ida leider gezwungen, sich umzubringen.
Vanessas Dealerfreund legt sich neben sie, und es dauert ungefähr eine halbe Sekunde, bis sie anfangen rumzuknutschen.
Ida schielt zu Erik. Am liebsten würde sie ihn anschreien, dass er aufhören soll, Vanessa anzustarren, aber das sähe ja so aus, als hätte sie
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