Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
überbringen Mama die Nachricht, Mama bricht zusammen, Beerdigung, der Versuch, Melvin zu erklären, was Sterben bedeutet, wenn er abends vor dem Schlafen Fragen stellt – aber dann sieht sie das kleine Lächeln, dass Nickes Mundwinkel umspielt. Mit einer Hand hält er das Lenkrad umklammert.
Vanessa zuckt erschrocken zusammen, weil Nicke aus Versehen auf die Hupe drückt. Sie lässt um ein Haar das Fahrrad fallen, als ihr der Lenker aus der verschwitzten Hand rutscht.
Nicke schaut nach unten und lacht leise, aber in der reglosen Luft ist es klar und deutlich zu hören.
»Du bist die Beste, ehrlich«, sagt er in Richtung Knie.
Und Vanessa kämpft gegen die Erkenntnis. Als würde sie versuchen, einen Lastwagen mit einer Fliegenklatsche zu verjagen.
Ein dunkelhaariger Kopf taucht vor dem Armaturenbrett auf.
Die Frau richtet sich auf dem Beifahrersitz auf und küsst Nicke auf den Mund. Er dreht den Kopf weg und lacht. Dann küsst er sie zurück.
Vanessa wendet sich ab. Will keine Sekunde länger zusehen müssen. Presst die Kiefer aufeinander. Ihr ist übel. Sie packt das Fahrrad und fährt mit einer Energie weg, die sie bis eben nicht hatte.
7. Kapitel
S
chwarzer Rauch wirbelt um Minoo.
Irgendwo in ihrer Nähe befinden sich Anna-Karin, Ida, Linnéa und Vanessa. Hilflos. Jetzt hängt alles an Minoo. Sie ist alleine.
Alleine mit Max.
Er steht vor ihr, auch ihn umgibt schwarzer Rauch. Die dunklen Locken umrahmen sein schönes Gesicht.
»Ich weiß, dass es für dich gerade keinen Sinn ergibt«, sagt er und lächelt. »Aber das Einzige, was ich will … Das Einzige, was ich die ganze Zeit wollte, ist, mit dir zusammen sein.«
Immer dichter wirbelt der Rauch, sie werden zueinandergezogen, und Minoo begreift, dass irgendetwas nicht stimmt. Hier sollte sie Widerstand leisten, hier sollte sich der Kampf zu ihrem Vorteil wenden.
Aber es passiert nicht.
Sie versucht, dagegen anzukämpfen, aber sie ist machtlos.
Und plötzlich steht Max dicht vor ihr. Seine Augen glänzen schwarz wie Vogelaugen.
»Du gehörst zu mir.«
Er beugt sich vor und küsst sie mit eiskalten, feuchten Lippen.
Minoo schreckt hoch. Geweckt von einem Kuss.
So war es nicht, versucht sie sich einzureden. Ich habe ihn besiegt. Ich habe die anderen gerettet.
Sie dreht sich auf die Seite und starrt in ihr dunkles Zimmer.
Bewegt sich dort etwas? Eine tiefere Nuance von Dunkelheit zwischen den nächtlichen Schatten?
Der schwarze Rauch.
Minoo setzt sich im Bett auf.
Sie sieht es jetzt ganz deutlich. Eine schwarze, zitternde Wolke in der Luft. Ein langer Rauchtentakel, der durch das Zimmer zieht.
Minoos Füße haben sich im Laken verheddert, und sie muss sich erst frei kämpfen, bevor sie dem schwarzen Rauch folgen kann.
Er schlängelt sich an der weißen Wand entlang aus ihrem Zimmer in den Flur, kriecht über den Fußboden, weiter in das Schlafzimmer ihrer Eltern.
Mama und Papa liegen nebeneinander in ihren Betten auf dem Rücken. Der Rauch umgibt sie und pulsiert, als wäre er lebendig. Aber die Augen ihrer Eltern starren nur ausdruckslos in die Dunkelheit.
»Du hast sie getötet.«
Minoo dreht sich um.
Im Flur steht Max mit den schwarzen Vogelaugen.
»Du wusstest die ganze Zeit, dass es passieren würde. Du hast ja nicht mal versucht, deine Kräfte kennenzulernen, weil du geahnt hast, was du dabei entdecken wirst.«
Er streckt eine Hand nach ihr aus.
»Du gehörst zu mir.«
Und sie weiß, dass es stimmt.
Das Klingeln ihres Handyweckers reißt Minoo aus dem Schlaf.
Sie setzt sich im Bett auf und sucht mit dem Blick das Zimmer ab.
Nirgends schwarzer Rauch.
Sie steht auf und geht in den Flur. Hört unten in der Küche jemanden rumoren. Alles ist wie immer.
Es ist nicht passiert. Es ist nicht wirklich passiert, denkt sie.
Aber sie kann den Traum nicht abschütteln.
Anna-Karins Mutter sitzt über die Zeitung gebeugt am Küchentisch. Ihre dunklen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengenommen. Der Rauch ihrer Zigarette ringelt sich durch die sowieso schon stickige Luft. Anna-Karin stochert in ihrer Müslischale, in der sich kleine Luftblasen bilden.
Raschelnd blättert Mama die
Engelsfors Nachrichten
durch. Sie saugt jeden Buchstaben in sich auf, genauso gierig, wie sie das Gift ihrer Zigarette inhaliert.
Der Straßenlärm und die Stimmen, die von unten heraufschallen, machen die Stille hier oben so greifbar. In der Stadt allein zu sein, fühlt sich noch viel einsamer an als auf dem Land.
Peppar tapst in die Küche
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