Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Treppe nach oben.
Was machen die anderen Auserwählten in diesem Moment? Sind sie in Gefahr?
Minoo und Viktor betreten den Flur im oberen Stock, bleiben stehen und schauen zu Adrianas Schlafzimmertür.
Was passiert, wenn ich es nicht schaffe?, denkt Minoo. Und wenn ich es schaffe, aber zu wenig nehme, Reste zurücklasse, die verhindern, dass sie freigesprochen wird? Oder wenn ich zu viel nehme? Dann ist sie hinterher womöglich ein ganz anderer Mensch. Oder ein Gemüse. Wie Max.
Was, wenn ich sie töte.
»Hör auf, dir Sorgen zu machen«, sagt Viktor.
Sie fährt zusammen und starrt ihn an.
»Nein, ich kann deine Gedanken nicht lesen«, sagt er. »Aber man sieht es dir an. Du machst dich nur selbst verrückt. Ich weiß, dass du das hier schaffen wirst.«
»Du weißt gar nichts. Du hast keine Ahnung von meinen Kräften.«
»Aber ich glaube an dich.«
Wenigstens einer, denkt Minoo.
»Wir haben den Flur mit Zirkeln blockiert«, sagt Viktor.
Er streckt eine Hand aus und tastet vorsichtig in die Luft. Ein elektrisches Knistern ist zu hören und an seinen Fingerspitzen blitzen kleine Funken auf.
»Autsch«, sagt er und schüttelt die Hand.
Er zieht ein kleines, durchsichtiges Plastikfläschchen aus der Manteltasche. Es ist mit einer Flüssigkeit gefüllt, die aussieht wie gewöhnliches Wasser.
»Aber wir müssen ihr natürlich auch Essen bringen können.«
Er sprüht ein paarmal in die Luft.
Es glitzert, als die Flüssigkeit auf das Kraftfeld trifft. Viktor fasst Minoo an der Jacke und zieht sie mit sich durch den Schimmer. Sie wirft einen Blick über die Schulter. Hinter ihnen verlöschen die leuchtenden Partikel. Das Kraftfeld zwischen ihnen und der Treppe ist wieder intakt. Sie sind eingeschlossen.
»Wir müssen uns beeilen«, sagt Viktor.
Er geht zur Schlafzimmertür, sucht den richtigen Schlüssel heraus, steckt ihn ins Schloss und öffnet die Tür.
Das einzige Licht im Raum kommt von einer schlichten Lampe aus rostfreiem Stahl, die auf dem Fußboden steht. Adriana liegt auf dem Bett und starrt an die Wand. Sie hat noch dieselben Sachen an wie bei der Verhandlung. Ihr Make-up ist um die Augen herum ein wenig verschmiert. Ihre Strumpfhose hat eine lange Laufmasche am Unterschenkel. Die hochhackigen Schuhe liegen vor dem Bett auf dem Boden.
»Ist es schon so weit?«, fragt sie tonlos und dreht sich zu ihnen um.
Sie versteinert, als sie Minoo und Viktor sieht.
»Minoo … Was willst du hier? Was willst du hier mit ihm?«
»Ich passe auf«, sagt Viktor. Er verlässt das Zimmer und zieht die Tür hinter sich zu.
Minoo setzt sich neben Adriana aufs Bett.
»Sie können jeden Moment kommen, um mich zu holen. Du musst hier weg«, sagt Adriana. »Du darfst Viktor nicht vertrauen. Er hat dich hierhergelockt. Das ist eine Falle.«
»Ich werde Sie nicht einfach so sterben lassen.«
»Minoo«, sagt Adriana ernst und setzt sich auf. »Ich habe keine Angst. Ich habe in meinem Leben zwei Entscheidungen getroffen, auf die ich stolz bin. Die eine war, gemeinsam mit Simon den Rat zu verlassen. Die andere, mich auf eure Seite zu stellen statt auf die des Rats. Ich habe mein Schicksal akzeptiert.«
»Aber wir nicht. Wie werden nicht zulassen, dass man Sie umbringt. Wir werden Sie retten.«
»Ich kann nicht fliehen …«
»Das weiß ich«, fällt Minoo ihr ins Wort. »Es gibt eine andere Lösung.«
Adriana hört mit gerunzelter Stirn zu, als Minoo ihr erklärt, was sie vorhaben.
»Viktor denkt, dass der Rat Sie freilassen wird, wenn der Plan gelingt«, sagt Minoo. »Ich muss ehrlich sein – ich habe keine Ahnung, ob ich es hinbekomme. Aber es ist unsere einzige Chance.«
Adriana schüttelt den Kopf.
»Nein«, sagt sie. »Ich kann nicht zulassen, dass du so ein Risiko eingehst. Wenn etwas schiefgeht, wirst du für immer mit dieser Schuld leben müssen. Und selbst wenn es dir gelingt – ich will nicht mehr der Mensch sein, der ich früher war. Lieber sterbe ich, als wieder dieses Leben zu führen.«
»Der Mensch, der Sie damals waren, ist zu dem Menschen geworden, der Sie jetzt sind«, sagt Minoo. »Es spricht nichts dagegen, dass Sie sich wieder verändern werden. Und wir werden alles tun, um eine Möglichkeit zu finden, das Band zwischen Ihnen und dem Rat zu lösen.«
»Das ist unmöglich.«
»Es sind viele Dinge passiert, die wir für unmöglich gehalten haben.«
»Ich kann dich das nicht tun lassen …«
»Wenn ich
nicht
versuche, Sie zu retten«, sagt Minoo, »denken Sie wirklich, ich könnte bis
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