Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
ans Ende meiner Tage
damit
leben?«
Adriana sieht sie schweigend an. Minoo hört ihren Atem. Sieht den Pulsschlag in Adrianas Halsgrube. Ihr Herz, das schlägt. Ihr Herz, das der Rat anhalten will.
»Ich will nicht sterben«, sagt Adriana schließlich. »Ich versuche vielleicht, die Tapfere zu spielen, aber ich will nicht sterben.« Sie schweigt einen Moment. »Wo werden meine Erinnerungen sein?«
»Ich weiß es nicht.«
Adriana nickt.
»Es ist gleichgültig«, sagt sie. »Tu es. Aber Minoo … Nimm mir nicht Simon. Ohne ihn …«
Ihre Stimme stockt.
»Ich verspreche es«, sagt Minoo.
Adriana nickt wieder.
»Ich hätte vorhersehen müssen, welche Wendung der Prozess nehmen würde«, sagt sie. »Aber mir war nicht klar, wie stark der Flügel der Skeptiker geworden ist.«
»Wie können diese Leute nur alles so verdrehen? Ist dem Rat nicht klar, dass der Weltuntergang bevorsteht? Oder ist es ihm egal?«
»Er will es nicht wahrhaben. Die Apokalypse zuzugeben, würde zugleich bedeuten einzugestehen, dass es mächtigere Kräfte gibt als seine eigenen. Kräfte, die er nicht kontrollieren kann.«
Sie sieht Minoo an. »Auf gewisse Weise ist das eine neue Chance für euch. Haltet euch bedeckt, dann lässt der Rat euch vielleicht in Frieden. Ich hoffe wirklich, dass es so sein wird.«
Adriana nimmt Minoo in den Arm und hält sie fest. Sie duftet schwach nach Rosen.
»Ich werde mich nicht daran erinnern, nicht wahr?«, sagt Adriana, als sie loslässt.
Minoo schüttelt den Kopf.
»Ich werde Sie vermissen«, sagt sie. »So, wie Sie jetzt sind.«
»Ich dich auch«, sagt Adriana und lächelt traurig.
Sie sinkt auf das Bett zurück und schließt die Augen.
Minoo holt tief Luft und legt eine Hand auf Adrianas Stirn. Sie hofft, dass Adriana keine Schmerzen haben wird, was auch immer gleich geschieht.
Dann lässt sie den schwarzen Rauch frei. Er wirbelt um das Bett, verzweigt sich und fließt wieder zusammen, bildet verschnörkelte Muster vor den weißen Wänden des Zimmers, hüllt sie beide in seinen schwarzen Mahlstrom ein.
Minoo schließt die Augen und der Rauch reißt sie mit.
Der Regen hat aufgehört. Ida übernimmt die Führung, als sie zwischen den parkenden Autos zur Rückseite der Schule schleichen. Sie schaut zur Laderampe mit den breiten Stahltüren, die zur Mensa führen. Letztes Jahr sind sie dort in die Schule eingedrungen. Durch diese pechschwarze Finsternis zu gehen, kam ihr damals vor, wie direkt in die Hölle hinabzusteigen. Sie versucht, sich damit zu trösten, dass es in der Turnhalle wenigstens hell ist. Der Gedanke ist nicht sonderlich hilfreich. Letztes Mal hatten sie nur einen Feind, dieses Mal sind es ein paar Hundert.
Und Erik ist einer von ihnen.
Ida dachte damals, dass Minoo ziemlich dumm sein musste. Warum sonst hatte sie nicht gemerkt, dass Max böse war?
Sie hat sich immer geweigert zu glauben, dass so etwas wie Karma existiert, aber in letzter Zeit kommt es ihr so vor, als würde sie irgendjemand krampfhaft vom Gegenteil überzeugen wollen.
Sie erreichen die Backsteinmauer und Ida presst sich dicht an die Wand. Vor ihr ist die Feuerleiter. Eine Spirale aus mattem Metall, die sich bis zum obersten Stock die Fassade hinaufwindet. Auf jeder Etage gibt es einen Absatz.
»Warum hat Nicolaus uns die Schlüssel zur Schule nicht dagelassen?«, nörgelt sie. »Er hätte sich doch denken können, dass wir uns hier früher oder später wieder mit Dämonen prügeln müssen.«
»Wir nehmen die Tür ganz oben«, sagt Linnéa. »Ich glaube nicht, dass im obersten Stock jemand ist.«
»Denken sie alle dasselbe?«, fragt Anna-Karin.
»Nein«, antwortet Linnéa. »Sie werden von etwas gelenkt, aber im Moment ist der Einfluss ganz schwach.«
Ida sieht sich um. Jenseits der Lichtkegel der Straßenlaternen scheinen die Schatten dichter zu werden.
Das hier ist eine echt beschissene Idee, denkt sie.
Langsam fängt Vanessa an, die Feuertreppe hochzusteigen. Linnéa folgt ihr. Ida drängt sich an Anna-Karin vorbei und setzt den Fuß auf die unterste Treppenstufe. Sie wird ganz bestimmt nicht als Letzte gehen, nur für den Fall, dass etwas aus den Schatten auftauchen und sie verfolgen sollte.
Die rutschigen Metallgitterstufen beben unter ihren Füßen. Ida passiert den Absatz zum zweiten Stock und wirft einen hastigen Blick durch die Glasscheibe, die in die Tür eingelassen ist.
Der menschenleere Flur ist bis auf das gespenstische Licht der Notausgangsschilder dunkel. Sie kann sich lebhaft
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