Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Zigarette. Adriana verabscheut den Gedanken, Mona um Hilfe zu bitten, aber sie muss eine Möglichkeit finden, mit den Mädchen Klartext zu sprechen. Sie ist bereit, dafür jeden erdenklichen Preis zu zahlen.
Minoo ändert die Richtung, bewegt sich wieder zurück.
Adriana ist in ihrem Arbeitszimmer hier im Haus. Sie blättert in brüchigen, vergilbten Buchseiten, bis sie findet, wonach sie sucht. Eine uralte, vergessene Passage darüber, wie eine Hexe ihren Familiaris verwenden kann, um ihre Erinnerungen zu verbergen und dennoch Zugang zu ihnen zu haben.
Rückwärts.
Nicolaus kommt ihr auf dem Schulflur entgegen. Er schaut sie missbilligend an und Adriana versteht ihn. Sie mag ihn, sie wünschte, sie könnte es ihm zeigen.
Minoo wandert weiter zurück in der Zeit, sieht wieder ihr eigenes Gesicht. Sie sitzt auf dem Beifahrersitz in Adrianas Auto. Adriana nimmt ihre Thermoskanne und schenkt Tee ein. »Trink das«, sagt sie. »Ist das … magisch?«, fragt Minoo. »Das ist Earl Grey«, sagt Adriana. Sie fühlt sich schuldig. Frustriert. Sie wünschte, sie könnte mehr für die Auserwählten tun. Aber der Rat untersagt ihr einzugreifen. Sie haben ihr Order gegeben zu warten.
Weiter zurück.
Adriana sieht Blut auf dem Asphalt. Eben wurde Rebeckas Körper weggetragen. Wäre sie ihr doch nachgelaufen.
Zurück.
Rebecka sitzt ihr im Büro gegenüber. Sie presst die Augen zu, und Adriana versucht zu verstehen, was in ihrem Kopf vorgeht. »Ich denke, wir fangen am besten noch mal ganz von vorne an«, sagt sie. Rebecka öffnet die Augen. »Rebecka, was denkst du, worüber ich mit dir reden will?«, sagt Adriana. Das Mädchen steht auf. »Entschuldigung, ich muss gehen«, sagt sie und rennt aus dem Zimmer.
Zurück.
Seltsame Erinnerung. Ein nachtschwarzer Wald von oben. Es dauert einen Moment, bis Minoo versteht, dass Adriana ihn durch die Augen des Raben gesehen hat. Er fliegt tiefer, weicht den Wipfeln der höchsten Bäume aus, ist so schnell, dass Minoo kaum Details erfassen kann. Und plötzlich landet er auf einer Kiefer. Eine Stimme dringt zu ihm herauf. Nicolaus. »Willkommen, Auserwählte. Du bist zu diesem geweihten Ort gewandert, in der Nacht, da der Mond sich rot gefärbt hat! Die Prophezeiung hat sich erfüllt!« Der Rabe fliegt näher heran, und Minoo sieht sich wieder selbst, sie sieht so klein aus in ihrem Schlafanzug, klingt so jämmerlich, als sie »Wie bitte?« sagt.
Zurück.
Adriana breitet Listen mit den Namen aller Zehntklässler vor sich aus, die im Herbst an die Schule kommen. Es ist nur so eine Idee, und sie glaubt nicht, dass es wirklich funktionieren wird. Aber sie hebt das Pendel und führt die Hand über die Seiten, blättert die Unterlagen durch. Und plötzlich beginnt das Pendel, über einer der Klassenlisten zu schwingen. Sie starrt es an. Im nächsten Augenblick wird ihre Hand nach unten gezogen. Das Pendel hat sich auf einen Namen gelegt. Elias Malmgren.
Zurück.
Adriana stellt die Lampe mit den Libellen auf den Schreibtisch in ihrem Büro in der Schule und steckt den Stecker ein. Sie verspürt eine seltsame Erwartung. Bislang hat sie nie wirklich daran zu glauben gewagt, dass sie mit ihrer Vermutung recht hat. Aber jetzt hat sie das Gefühl, dass in diesem gottverlassenen Nest etwas passieren wird. Etwas, das sie verändern wird. Befreien wird.
Minoo zieht sich zurück.
Sie weiß, dass das der Punkt ist, an dem sie beginnen muss.
Sie hat sie jetzt vor sich.
Schimmernde, glühende Fäden. Sie fügt sie zusammen, verschweißt sie. Sie kann Adriana die Erinnerungen nicht entreißen, ohne ihr zu schaden, aber sie kann neue Wege bilden, neue Bahnen weben, die an dem Verbotenen vorbeiführen.
Der schwarze Rauch quillt hervor, er schließt sich um Minoo, und sie spürt, wie die Magie der Beschützer durch sie wirkt, wie sie gemeinsam die gefährlichen Erinnerungen tief in Adrianas Unterbewusstsein vergraben, wo weder sie selbst noch ihre Gegner sie je erreichen können.
Und im selben Moment, in dem Minoo weiß, dass sie fertig ist, wird sie von Erschöpfung übermannt.
Sie gleitet aus Adrianas Bewusstsein.
Sie ist noch nicht ganz zurück in der physischen Welt, aber fast. Sie ist
genau dazwischen
, wie in dem Augenblick, als sie die Segnung der Dämonen wie einen schwarzen Heiligenschein um Max schimmern sah.
Adriana liegt ausgestreckt vor ihr auf dem Bett.
Verstehst du es jetzt?
Minoo schaut auf.
Auf der anderen Seite des Bettes steht Matilda. Ihr Gesicht liegt im Dunkeln, aber
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