Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Minoo ist sich sicher, dass sie lächelt.
Deine Kräfte können Gutes bewirken.
Matilda bewegt sich nicht, aber Minoo spürt etwas durch die Luft schweben, eine zarte Berührung streift ihre Wange.
Du musst dich beeilen. Die anderen brauchen dich.
»Weißt du, was heute Abend passieren soll?«, fragt Minoo. »Wollen Helena und Krister alle töten?«
Ja. Es ist der letzte Schritt, der noch fehlt.
»Wozu?«
Matildas Bild verblasst und verschwindet in den Schatten, aber ihre Stimme bleibt noch.
Damit die Apokalypse beginnen kann.
Vorsichtig öffnet Vanessa die Tür, die von der Mädchenumkleide in die Turnhalle führt.
Die Tribüne ist voll besetzt, und die, die keinen Sitzplatz mehr bekommen haben, drängen sich auf dem Boden. Ein kleineres Mädchen steht ganz hinten und hüpft auf und ab, um wenigstens einen kurzen Blick auf die Bühne zu erhaschen.
In diesem Raum fühlt man sich, als wäre die Hitzewelle des Sommers zurückgekehrt. Vanessa bemüht sich, durch den Mund zu atmen, um dem Geruch von frischem Schweiß und uralter Turnhalle zu entgehen.
Aber vor allem ist die Luft angefüllt mit Magie.
Vanessa kann zwar nirgends Ektoplasmazirkel entdecken, aber das hat nichts zu bedeuten. Minoo und sie konnten den Zirkel in Adrianas Arbeitszimmer letztes Jahr auch nicht sehen. Manche Zirkel werden erst sichtbar, wenn man sie aktiviert.
Es kommt ihr so vor, als wäre die Magie im Saal im Stand-by-Modus. Jeden Augenblick kann die Hexe nach der Fernbedienung greifen und auf »On« drücken.
Vanessa schaut zur Bühne. Rickards Blick wandert unruhig über das Publikum. Das Amulett hängt über seinem gelben T-Shirt. Erik und Kevin stehen neben ihm und schauen erwartungsvoll zu Helena, die am Mikrofon steht und ein Kuvert aufreißt.
»Und der junge PE -ler des Jahres ist …« Helena legt eine Kunstpause ein und wirft dem Publikum einen verschwörerischen Blick zu. »Ist das nicht herrlich, so eine frohe Nachricht überbringen zu dürfen? Ja, das ist es, denn die meisten von euch haben schließlich für ihn gestimmt.«
Lachen füllt den Saal. Helena zieht eine Karte aus dem Umschlag. Ihr Lächeln wird noch breiter und sie liest den Namen mit triumphierender Stimme vor.
»Erik Forslund!«
Wieder bricht Applaus los. Trampelnde Füße lassen die Tribüne beben. Begeisterte Pfiffe gellen durch die Luft. Erik bemüht sich gar nicht erst, überrascht zu tun. Er geht ganz ruhig zu Helena und umarmt sie. Dann nimmt er einen Strauß Osterglocken und ein eingerahmtes Diplom von Krister entgegen, der ihm so fest auf den Rücken klopft, dass das Amulett auf seiner Brust hüpft.
Vanessa schaut zu Rickard. Er applaudiert wie alle anderen, aber die Enttäuschung ist ihm deutlich anzusehen. Krister sagt etwas zu ihm und Kevin und die beiden verlassen die Bühne.
Rickard stellt sich zu ein paar anderen Jungs, die sich schon mal unauffällig am Büfett bedienen. Er setzt seine Brille ab und fängt an, sie zu putzen, versucht, gleichgültig zu wirken. Vanessa nimmt ihn ins Visier, bewegt sich so vorsichtig, wie sie nur kann, durch die Menschenmenge, um niemanden zu berühren.
»Das ist wirklich eine Überraschung für mich«, sagt Erik oben auf der Bühne. »Eine
positive
Überraschung natürlich.«
Wieder füllt Gelächter den Saal. Bei vielen klingt es erzwungen, übertrieben. Es liegt eine Hysterie in der Luft, die Vanessa Angst macht. Als könnte die Ausgelassenheit jeden Moment in Tränen oder ungezügelten Zorn umschlagen.
» PE hat nicht nur Engelsfors verändert«, fährt Erik fort. » PE hat auch unser Leben verändert. Mein Leben.«
Vanessa entdeckt Gustaf in der Nähe der Bühne. Er lächelt wie alle anderen, aber er kann die Wut in seinem Blick nicht verbergen. Jetzt weiß sie sicher, dass er keine Kette trägt. Sie hofft, dass sie die Einzige ist, die es bemerkt.
»Es ist nicht einfach, das eigene Leben zu ändern«, sagt Erik. »Während wir uns entwickeln, können wir nicht immer erwarten, dass die Menschen in unserer Umgebung mit uns Schritt halten. Oft begegnen sie uns mit Neid. Wut. Hass. Wie meine Ex. Ich habe versucht, ihr klarzumachen, worum es geht, aber sie wollte sich nicht darauf einlassen. Sie war ein richtiger Energievampir. Irgendwann wurde mir klar, dass ich das Band zwischen uns zerschneiden muss. Das war hart, aber jetzt fühle ich mich stärker. Sie hat mich gebremst. Sie hat mich runtergezogen.«
Vanessa denkt an Ida, die sich mit Linnéa und Anna-Karin im Waschraum der Mädchen
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